Das OLG Frankfurt am Main in einem Beschluss vom 23.10.2004 - 3 Ws 599-615/04 (StVollz) -unter anderem:
"Nach ständiger Rechtsprechung des Senats, der sich die übrigen Obergerichte
- jedenfalls in Strafvollzugssachen - angeschlossen haben, und der die Literatur
ganz überwiegend gefolgt ist, ist nach § 29 I 1 StVollzG jede Überwachung der
Verteidigerpost, d.h. jede Kontrolle des gedanklichen Inhalts der Sendung unzulässig.
Denn Sinn und Zweck des Überwachungsverbotes in § 29 I 1 StVollzG ist es, den
unbefangenen Verkehr zwischen Gefangenen und seinem Verteidiger, d.h. ihren freien,
vor jeder auch nur bloßen Möglichkeit einer Kenntnisnahme des Kommunikationsinhaltes
durch Dritte geschützten Gedankenaustausch auf schriftlichem Wege zu gewährleisten.
Verboten ist deshalb jedes - auch nur teilweises - Öffnen der Verteidigersendung, wenn nicht
gänzlich auszuschließen ist, dass der Kontrollierende hierdurch bewusst oder unbewusst auch
nur Bruchstücke des Textes wahrnehmen kann, so dass selbst die (teilweise) Öffnung der
Verteidigerpost zur bloßen Feststellung der Absenderidentität oder die Kontrolle des Inhalt
der Sendung in Form einer groben Sichtung und eines Durchblätterns der Schriftunterlagen
von dem Kontrollverbot umfasst ist. Dabei macht es keinen Unterschied, vom wem
der Brief geöffnet und die Schriftunterlagen „ausgeschüttelt“ werden.
Auch wenn der Gefangene selbst im Beisein eines Beamten seine Verteidigerpost öffnen
und „ausschütteln“ soll, aber nicht ausgeschlossen werden kann, dass der
Beamte bewusst oder unbewusst Bruchstücke des Inhaltes wahrnehmen kann,
ist eine derartige Kontrollmaßnahme unzulässig. Dies gilt auch dann, wenn die Kontrollmaßnahmen mit Zustimmung des Gefangenen erfolgt. Zulässig ist hingegen eine Prüfung, ob überhaupt Verteidigerpost vorliegt, also auf die Absenderidentität, die sich auf nur äußere Merkmale beschränkt.
Andererseits ist entgegen der Ansicht der Kammer, nicht jedwede Sichtkontrolle der
Verteidigerpost ausgeschlossen. Die Sendung des Verteidigers darf auf unerlaubte
Einlagen in einer Weise überprüft werden, bei der eine – auch nur bruchstückhafte –
Kenntnisnahme des gedanklichen Inhaltes ausgeschlossen ist . Geschützt und
von der Kontrolle ausgenommen nach § 29 I StVollzG ist nämlich nur der Schriftwechsel
des Gefangenen mit seinem Verteidiger. Hierunter sind lediglich die Bestandteile
einer (Post)Sendung – gleichgültig ob sie nun als Brief, Päckchen oder
Paket zu qualifizieren sind – die den Gedankenaustausch zwischen Gefangenen
und Verteidiger betreffen, zu verstehen. Beilagen sind also dann Bestandteil der
Verteidigerpost, wenn sie sich als untrennbarer Teil dieses Gedankenaustausches
darstellen, also vom Verteidigungszweck getragen sind. Diese Grundsätze
schließen zwar aus, die Verteidigerpost daraufhin zu überprüfen, ob sie neben dem
eigentlichen Schriftsatz unzulässige (i.e. vom Verteidigungszweck nicht umfasste)
sonstige schriftliche oder bildliche Unterlagen enthält. Denn eine solche Überprüfung
ist nur durch partielle Kenntnisnahme deren Inhalts möglich. Eine Kontrolle auf
andere Beilagen als schriftliche Unterlagen, Fotokopien oder Bilder
– z.B. auf Rauschgift oder Geldscheine – schließt § 29 StVollzG hingegen nicht
per se aus. Aus diesem Grunde hat es der Senat für zulässig erachtet, eine
Briefsendung des Verteidigers zu röntgen. Aber auch ein Öffnen der Verteidigerpost
durch den Gefangenen zu diesem letztgenannten Zwecke ist nicht in jedem Falle
unzulässig. Sie darf durchgeführt werden, wenn wirklich jede Möglichkeit der auch
nur bruchstückhaften Kenntnisnahme vom Inhalt der Briefsendung (einschließlich
der Verteidigungszwecken dienenden Beilagen) ausgeschlossen ist, wobei allerdings
ein bloßes Verbot der Vollzugsbehörde an den kontrollierenden Beamten, vom
gedanklichen Inhalt Kenntnis zu nehmen, nicht ausreicht. Ob es sich bei dieser
zulässigen Öffnung der Verteidigerpost zur Kontrolle auf unzulässige Beilagen im
obigen Sinne nur um eine theoretische (i.e. rein ideell vorstellbare) oder auch praktisch
realisierbare Möglichkeit handelt, hat der Senat hier nicht zu entscheiden. Er
hat sich vielmehr auf die Überprüfung bei ihm konkret zur Entscheidung angefallener
Kontrollpraktiken der Anstalt zu beschränken...."
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