Montag, 14. März 2005

Ermittlungen gegen Notare nach "Firmenbestattungen"

Im Rundschreiben 2004 des Präsidenten des Landgerichts Berlin wird vor unzulässiger Mitwirkung von Notaren bei sogenannten Firmenbestattungen gewarnt: "Es ist aus der Fachliteratur und der Presse allgemein bekannt, dass die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen (so genannte „Mantelkäufe“) im Zusammenhang mit insolvenzbedrohten oder insolvenzreifen Gesellschaften oftmals ausschließlich den Zweck hat, Gläubigerinteressen zu vereiteln (so genannte „Firmenbeerdigungen“). Gesellschafter, die häufig gleichzeitig auch Geschäftsführer sind, veräußern dabei sämtliche GmbH-Geschäftsanteile an einen Dritten, der es übernimmt, die insolvenzreife oder insolvenzgefährdete GmbH „geräuschlos“ abzuwickeln. Die Firmenaufkäufe haben dabei keineswegs eine geordnete Liquidation der Gesellschaft zum Ziel; vielmehr versuchen die Erwerber durch verschiedene Maßnahmen (Sitzverlegung, Abberufung der Geschäftsführer etc.), einen Zugriff der Gläubiger zu verhindern. Die früheren Gesellschafter ziehen aus der Übertragung den Nutzen, dass sie im zukünftigen Geschäftsverkehr nicht mit dem „Makel“ der Insolvenz behaftet sind. Auch wenn der Mantelkauf einer GmbH grundsätzlich keinen rechtlichen Bedenken begegnet, kann den Notar die Pflicht treffen, seine Urkundstätigkeit zu verweigern, wenn sie mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar ist, nämlich wenn die Mitwirkung bei Handlungen verlangt wird, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden (§ 14 Abs. 2 BNotO). Solch eine Pflicht, den Sachverhalt näher aufzuklären, trifft den Notar, sofern u. a. folgende Indizien den Rückschluss auf das Vorliegen eines „betrügerischen Firmenaufkaufs“ nahe legen können:

a) Übertragung der Gesellschaftsanteile an einer krisenbehafteten Gesellschaft (z. B. Kaufpreis 1,00 Euro), wenn nicht eine Sanierung bzw. das Ziel einer erfolgreichen Geschäftsfortführung schlüssig dargelegt oder zumindest nachvollziehbar behauptet wird. Hieran fehlt es in der Regel bei gleichzeitiger Sitzverlegung ohne erkennbaren sachlichen Grund und Firmenänderung sowie bei vermehrtem Ankauf solcher Gesellschaften ohne nachvollziehbaren wirtschaftlichen Grund.

b) Größere Anzahl von Mantelkäufen innerhalb kürzerer Zeit unter Mitwirkung des gleichen oder annähernd gleichen Personenkreises auf Käuferseite und wechselnden Verkäufern.

c) Mehrfache Sitzverlegungen und Firmenänderungen, denen ein Mantelkauf vorangegangen ist.

d) Übertragung von Geschäftsanteilen einer krisenbehafteten Gesellschaft bzw. Übertragung der Geschäftsführerposition an offensichtliche „Strohmänner“ bzw. Personen, die ersichtlich die für eine ordnungsgemäße Führung der Gesellschaft oder gar deren Sanierung erforderliche Qualifikation nicht aufweisen (z. B. Personen, die erkennbar aus dem Obdachlosen- oder Drogenmilieu stammen). Anhaltspunkte für die fehlende Eignung können hierbei mangelnde Sprachkenntnisse, das allgemeine Auftreten (einschließlich des äußeren Erscheinungsbildes), die während der Urkundsverhandlungen zu beobachtende Auffassungsgabe oder fehlende, unrichtige oder unschlüssige postalische Anschriften sein.

e) Fehlender örtlicher Bezug des Vorgangs zum Amtssitz des Notars. Weisen weder die Käufer noch die Verkäufer noch der bisherige oder der künftige Sitz der Gesellschaft einen Bezug zum Amtssitz des Notars auf, kann dies darauf zurückzuführen sein, dass die Beteiligten bewusst einen Notar aussuchen, der über die betroffene Gesellschaft keine Vorkenntnisse (etwa über Veröffentlichungen in der lokalen Presse) hat und der daher zunächst kein Misstrauen hegt.

f) Postalische Unerreichbarkeit der beteiligten Personen oder Gesellschaften auch im Zusammenhang mit früheren Vorgängen.

Sofern einer der vorgenannten Anhaltspunkte gegeben ist oder einzelne dieser Anhaltspunkte zusammentreffen, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass mit dem GmbH-Mantelkaufvertrag unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden. Das Vorliegen solcher Indizien ist geeignet, bei dem Notar das Misstrauen zu erwecken mit der Folge, dass ihm die Verpflichtung obliegt, die näheren Hintergründe des beabsichtigten Geschäfts zu erfragen. Sind die Beteiligten nicht in der Lage, das Misstrauen bei dem Notar auszuräumen, indem etwa ihr Vorbringen unschlüssig oder unglaubhaft ist, oder sie jegliche Auskunft über die Hintergründe verweigern, ist der Notar berechtigt und ggf. auch verpflichtet, seine Mitwirkung gem. § 14 Abs. 2, Abs. 3 BNotO zu verweigern.

Ein Verstoß gegen § 14 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 BNotO liegt bereits dann vor, wenn der Notar nicht den äußeren Anschein vermeidet, ein Geschäft beurkundet zu haben, mit dem erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden. § 14 Abs. 2 BNotO macht den Notar verantwortlich für die Redlichkeit der weiteren, ihm erkennbaren Zwecke, die die Beteiligten mit Hilfe der Amtshandlung erreichen wollen (vgl. Schippel, BNotO, 7. Auflage, 2000, § 14, Rdnr. 19). Wenn der Notar nicht sicher weiß, ob die Handlung unredlichen Zwecken dient, sich dies aber nach den konkreten Umständen des Falles als möglich darstellt oder gar aufdrängt, obliegt es dem Notar, bei den Urkundsbeteiligten nachzufragen; erhält der Notar dann keine zufrieden stellende Antwort, muss er seine Tätigkeit verweigern (BGH NJW-RR 2001, 1354, 1355).

Von dem Notar ist zu erwarten, dass er seiner Aufklärungspflicht auf der Grundlage der oben dargestellten Vorgaben bei GmbH-Mantelkkaufverträgen nachkommt und dies entsprechend in der Urkunde dokumentiert (§ 17 Abs. 2 BeurkG)."

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