Freitag, 11. März 2005

Vollständiger Text des geänderten § 130 StGB mit Erläuterungen

StGB § 130 Volksverhetzung

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1. zum Haß gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder

2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, daß er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,

wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1. Schriften (§ 11 Abs. 3), die zum Haß gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder die Menschenwürde anderer dadurch angreifen, daß Teile der Bevölkerung oder eine vorbezeichnete Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden,

a) verbreitet,

b) öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht,

c) einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überläßt oder zugänglich macht oder

d) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Buchstaben a bis c zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen, oder

2. eine Darbietung des in Nummer 1 bezeichneten Inhalts durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste verbreitet.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Absatz 2 gilt auch für Schriften (§ 11 Abs. 3) des in den Absätzen 3 und 4 bezeichneten Inhalts.

(6) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit Absatz 5, und in den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt § 86 Abs. 3 entsprechend.

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Erläuterungen des Bundesjustizministeriums zur Neuregelung:


Nach dem neu geschaffenen Absatz 4 macht sich strafbar, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt. Dabei ist Voraussetzung, dass die Friedensstörung in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise geschieht.

Die Neuregelung schließt damit eine Gesetzeslücke:
Nach § 130 Absatz 3 StGB der geltenden Fassung ist nur das Billigen, Leugnen oder Verharmlosen von unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Handlungen der in § 6 Völkerstrafgesetzbuch bezeichneten Art (Völkermord) strafbewehrt.
Durch die Neuregelung wird nunmehr auch die Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung der NS-Gewalt- und Willkürherrschaft als solche erfasst, wenn dadurch der öffentliche Friede gestört und die Würde der Opfer verletzt wird. Strafbar ist eine Handlung also dann, wenn sie den Achtungsanspruch der Opfer der NS-Gewalt- und Willkürherrschaft angreift.

Das geschützte Rechtsgut ist der öffentliche Friede. Darunter versteht man einen objektiven Zustand allgemeiner Rechtssicherheit sowie das subjektive Bewusstsein der Bevölkerung, in Ruhe und Frieden zu leben. Gestört ist der Friede dann, wenn eine allgemeine Beunruhigung der Bevölkerung innerhalb Deutschlands, mindestens aber unter einer nicht unbeträchtlichen Personenzahl eintritt.

Der öffentliche Friede kann i.S. des § 130 Absatz 4 StGB dann verletzt werden, wenn die Opfer der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft durch die Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung der das NS-Regime kennzeichnenden Menschenrechtsverletzungen verhöhnt werden. Dabei kann die Tat auch dadurch begangen werden, dass die Verantwortungsträger der NS-Gewalt- und Willkürherrschaft angepriesen oder in besonderer Weise hervorgehoben werden.

Der Begriff des Billigens wird bereits in § 130 Abs. 3 StGB in der geltenden Fassung und in § 140 Nr. 2 StGB verwendet. Billigen ist grundsätzlich als Gutheißen von unter der NS-Herrschaft begangenen Menschenrechtsverletzungen zu verstehen. Die Billigung muss dabei nicht in Form vorbehaltloser Zustimmung geäußert werden. Es genügt, wenn etwa die schwerwiegenden Verbrechen, die die NS-Gewalt- und Willkürherrschaft charakterisieren, als zwar bedauerlich, aber unvermeidbar hingestellt werden. Dabei muss sich der Täter nicht auf eine konkrete Tat beziehen. Es reicht aus, wenn er konkludent – etwa durch Werturteile über die verantwortlichen Personen – eine positive Einschätzung der unter der NS-Herrschaft begangenen Menschenrechtsverletzungen abgibt.

Der Begriff des Verherrlichens wird ebenfalls bereits im Strafgesetzbuch verwendet und zwar bei der Vorschrift der Gewaltdarstellung, § 131 StGB. Als Verherrlichen ist nicht nur die direkte Glorifizierung der Unrechtshandlungen oder der für sie verantwortlichen Personen zu verstehen, sondern es reicht aus, wenn das Dargestellte in einem positiven Bewertungszusammenhang erscheint oder in der Schilderung der Unrechtshandlungen und ihrer Verantwortungsträger entsprechende positive Wertakzente gesetzt werden.

Die Tathandlung des Rechtfertigens bezeichnet das Verteidigen der die NS-Gewalt- und willkürherrschaft kennzeichnenden Menschenrechtsverletzungen als notwendige Maßnahmen. Dies kann auch dadurch geschehen, dass die Handlungsweise eines für die Menschenrechtsverletzungen Verantwortlichen als richtig oder gerechtfertigt dargestellt wird.

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