Mittwoch, 6. April 2005

Kammergericht verurteilt Tunesier Ihsan G. wegen Steuerhinterziehung u.a., aber nicht wegen versuchter Bildung einer terroristischen Vereinigung

Pressemitteilung des Kammergerichts: Der 1. Strafsenat des Kammergerichts hat den 34 Jahre alten tunesischen Staatsangehörigen Ihsan G. am heutigen Tag wegen Steuerhinterziehung, wegen Verstößen gegen das Waffengesetz und das Ausländergesetz sowie wegen Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Der Senat sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte im Jahr 2001 im Zuge eines umfänglichen Goldhandels mehr als 411.000 DM Umsatzsteuer hinterzogen hat. Zudem sei er am 19. Januar 2003 illegal, mit gefälschten Papieren nach Deutschland eingereist und habe eine Pistole mit 30 Schuss Munition besessen sowie weitere Delikte begangen.

Dagegen hat sich der Senat von dem zudem erhobenen Vorwurf der versuchten „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ (§ 129 a Strafgesetzbuch) nicht überzeugen können. Die 51-tägige Hauptverhandlung, in der 51 Zeugen und fünf Sachverständige gehört und mehr als 180 Urkunden verlesen und 100 Objekte in Augenschein genommen worden sind, hat nicht zweifelsfrei belegt, dass der Angeklagte auch hinsichtlich dieses Anklagevorwurfs schuldig war. Zwar hielt es der Strafsenat für erwiesen, dass der Angeklagte während seines fast zweijährigen Aufenthalts im Ausland eine Ausbildung für den gewaltsamen „Jihad“ durchlaufen und geplant hat, zu Beginn des Irakkrieges in Deutschland zumindest einen Sprengstoffanschlag zu begehen. Dafür sprechen neben von dem Angeklagten versendeten Emails und anderen Hinweisen vor allem eine beim Angeklagten gefundene detaillierte Anleitung zur Herstellung einer Zündauslösevorrichtung für Sprengsätze; zudem hatte er weitere Utensilien in seinem Besitz, die zur Herstellung von Sprengstoffen geeignet waren. Auch hat der Angeklagte bei mehreren Treffen Bekannte im Allgemeinen davon überzeugen wollen, dass ein gläubiger Moslem nicht nur reden, sondern auch mit Gewalt gegen die „Ungläubigen“ vorgehen müsse.


Dies genügte indes nicht, um den Angeklagten der (versuchten) Bildung einer terroristischen Vereinigung zu überführen. Denn eine „terroristische Vereinigung“ setzt u.a. einen auf eine gewisse Dauer angelegten Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die mehrere, im Gesetz im Einzelnen aufgezählte, erhebliche Straftaten begehen wollen, wie etwa Mord, Totschlag oder Sprengstoffanschläge. Die allgemeine Diskussion über die Frage, ob man gegen „Ungläubige“ mit Gewalt vorgehen dürfe, stellt noch keine (versuchte) Bildung einer terroristischen Vereinigung dar. Weitergehende Inhalte der Treffen konnten nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Die umfängliche Beweisaufnahme hat insbesondere nicht die Annahme der Anklage bestätigen können, bei den Treffen hätte der Angeklagte die Anwesenden mit dem konkreten Ansinnen angesprochen, diese als Mitglieder der terroristischen Vereinigung zu rekrutieren; gleiches gilt für den Vorwurf, einzelne Anwesende hätten ihm zugesagt, sich an einer solchen Vereinigung zu beteiligen und gemeinsam Sprengstoffanschläge zu begehen. Die in diesem Zusammenhang in der Hauptverhandlung verlesenen schriftlichen Angaben von zwei anonymen Ver-trauensleuten der Polizei genügten nicht, den Angeklagten insoweit zu verurteilen. Denn diese haben in ihren früheren Aussagen – wie sie dort selbst einräumten –, nahezu ausschließlich nicht selbst Erlebtes, sondern nur Angaben Dritter über den Inhalt der Treffen wiedergeben können. Darüber hinaus waren auch diese Aussagen lückenhaft und wiesen in mehrfacher Weise erhebliche Widersprüche auf. Eine zeugenschaftliche Vernehmung der Vertrauensleute in der Hauptverhandlung war auf Grund einer Sperrerklärung der Senatsverwaltung für Inneres nicht möglich. Schließlich hat auch eine schriftliche Nachbefragung der Vertrauensleute nicht die verbleibenden Unklarheiten und Ungereimtheiten beseitigen und den Angeklagten überführen können.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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