Sonntag, 8. Mai 2005

Vereiteln der Zwangsvollstreckung - ein scharfes Schwert bei Vermögensverschiebungen

Das Kammergericht hat in einem Urteil vom 21.02.2005 - 8 U 160/04 - verdeutlicht, wie extensiv die Vorschrift des § 288 StGB ausgelegt wird, nämlich dass die Zwangsvollstreckung nach der Rechtsprechung schon in einem äußerst frühen Stadium "drohen" kann: "Für das Tatbestandsmerkmal der drohenden Zwangsvollstreckung ist es nicht erforderlich, dass die Zwangsvollstreckung unmittelbar bevor steht, dass bereits Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingeleitet worden sind oder gar ein vollstreckbarer Titel erwirkt worden ist. Vielmehr kann die Zwangsvollstreckung im Sinne dieser Bestimmung bereits drohen, wenn der Gläubiger weder Klage noch sonstige Schritte zur Verwirklichung seiner Forderung getan noch die Absicht, sein Recht durchzusetzen, dem Schuldner kundgetan hat. Es ist also auch nicht notwendig, dass der Gläubiger die Forderung durch Kündigung fällig gemacht, den Schuldner gedrängt oder sonstige schlüssige Handlungen vorgenommen hat, aus denen eine auf Geltendmachung des Anspruchs gegen den Schuldner gerichtete Absicht zu entnehmen ist. Insoweit bedarf es aber nicht notwendig des Rückgriffs auf schlüssige Handlungen des Gläubigers, das „Drohen“ der Zwangsvollstreckung kann auch aus den besonderen Umständen des Falles hervorgehen, wie insbesondere bei einer Geschäftsveräußerung (Leipziger Kommentar zum StGB-Schünemann, 11. Aufl., § 288 Rdn. 16)."

Da § 288 StGB ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB darstellt, war im entschiedenen Fall die Übertragung von Sonnenstudios auf einen Dritten nichtig.

Es war auch ohne Bedeutung, dass die Einrichtung der Sonnenstudios geleast waren und nicht im Eigentum des Schuldners standen. Das Kammergericht führt hierzu aus:

"Soweit der Kläger geltend macht, dass die Einrichtung der Sonnenstudios nicht ihm gehörte, sondern nur „geleast“ worden sei, steht dies der Annahme der Vollstreckungsvereitelung im Sinne des § 288 StGB nicht entgegen. Zum Vermögen in diesem Sinne gehört alles, was der Vollstreckung unterliegt, und damit auch der Besitz fremder Sachen (Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., § 288 Rdn. 6; Leipziger Kommentar-Schünemann, a.a.O., § 288 Rdn. 21)."

Anmerkung:

Ich habe grundsätzliche Bedenken den Gesetzeswortlaut des § 288 StGB so weitgehend auszulegen. Im Gesetz steht:

"(1) Wer bei einer ihm drohenden Zwangsvollstreckung in der Absicht, die Befriedigung des Gläubigers zu vereiteln, Bestandteile seines Vermögens veräußert oder beiseite schafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt."

Eine Zwangsvollstreckung "droht" nach dem allgemeinen Verständnis, aber nicht nach dem Verständnis der höchstrichterlichen Strafrechtsprechung, wenn ein Gläubiger seinen Anspruch gegen den Schuldner mit Hilfe staatlicher Machtmittel (z.B. Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsgericht, Grundbuchamt) durchsetzen kann. Ich sehe den vorherbestimmbaren Inhalt der Strafbarkeit strafrechtlich relevanten Handelns anhand bestehender Gesetze überschritten, wenn objektiv noch nicht einmal Klage erhoben sein muss, geschweige denn ein Titel erwirkt sein muss, um sich einer drohenden Zwangsvollstreckung gegenüber zu sehen. Niemanden droht nach allgemeinem Verständnis die Zwangsvollstreckung, wenn noch kein Titel vorhanden ist, es sei denn, es liegt ein unbestrittener Anspruch vor, dessen gerichtliche Durchsetzung oder die Herbeiführung der Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen ist, wie beispielsweise die Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung einer notariellen Urkunde, reine Formsache und eine anderweitige Befriedigung des Anspruchs des Gläubigers nach der konkreten Vermögensverfügung von vornherein aussichtslos ist. Die Korrektur im subjetiven Bereich bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 288 StGB reicht nicht aus.

Der Bundesgerichtshof bleibt anscheinend bei seiner Rechtsprechung, wonach es den Tatbestand des § 288 Abs. 1 StGB verwirklicht, wenn nicht einmal eine vollstreckbare Forderung vorliegt und es nicht einmal erforderlich ist, dass Klage erhoben wurde.
Beispielsweise wird, allerdings mehr am Rande, zum Beispiel im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.02.2001 - 4 StR 421/00 - zur Verwirklichung des Tatbestandes des § 288 StGB Stellung genommen. Tathandlung war folgende:

"Die Angeklagten wollten "jede denkbare Möglichkeit der Vollstreckung" in diese Vermögenswerte unterbinden. Da die Bank, bei der der noch vorhandene Erlös aus dem Grundstücksgeschäft im wesentlichen angelegt war, zu einer vorzeitigen Auflösung der Anlagen nicht bereit war, entschlossen sie sich, "das gesamte Vermögen der jeweiligen Erben auf deren Ehepartner im Wege der Schenkung zu übertragen", wobei sie "wußten und wollten, daß die Erben durch die Vermögensübertragungen an die Ehepartner zahlungsunfähig wurden, da das übertragene Vermögen nahezu das gesamte Vermögen der Erben ausmachte". Die Schenkungsabreden wurden - mit Ausnahme der Abtretung des nicht verpfändeten Anteils eines Wachstumssparkontos des Angeklagten N., die erst fünf Tage später erfolgte - am 16. Juli 1993 durch Übertragung der jeweiligen Vermögenswerte auf die Angeklagten Helga N. und Dimitrios M. vollzogen. Diese übertrugen die ihnen zugewendeten Forderungen treuhänderisch auf Rechtsanwalt B., der die Angeklagten auf die Möglichkeit des Zugriffs auf das Vermögen der Beschenkten nach dem Anfechtungsgesetz hingewiesen hatte. Die anschließende Verpfändung dieser Vermögenswerte zur Sicherung von Krediten, die von der Angeklagten Helga N. und den Angeklagten Ingrid Emma und Dimitrios M. aufgenommen wurden, erfolgte, um so eine "weitergehende Sicherung vor dem aufgrund des Anfechtungsgesetzes drohenden Zugriff" zu erreichen."

Den Angeklagten war nach dem vom Bundesgerichtshof zu Grunde gelegten Sachverhalt zur Zeit der Schenkung "bewußt, daß die konkrete Gefahr bestand, daß der Freistaat Sachsen die Rückzahlung des erhaltenen Kaufpreises gegen sie geltend machen werde."

Zur weiteren Begründung führte der Bundesgerichtshof weiter aus: "Insbesondere drohte ihnen bereits am 16. Juli 1993 die Zwangsvollstreckung, denn die nachhaltigen Bemühungen des Freistaates Sachsen, die Eigentumsumschreibung zu verhindern, ließen auf die Absicht schließen, nach deren Scheitern wegen der Zahlungsforderung die Vollstreckung zu betreiben (vgl. BGH bei Holtz MDR 1977, 638; Tröndle/Fischer aaO § 288 Rdn. 4)."

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