Pressemitteilung des Oberlandesgericht Karlsruhe vom 01.07.2005: Unter Hinweis auf § 120 GVG hat sich der erste Strafsenat des OLG Karlsruhe aus formellen Gründen für unzuständig für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung von mehreren irakischen Staatsangehörigen im Klageerzwingungsverfahren erklärt. Die Anzeigeerstatter hatten am 29.11.2004 bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe gegen den Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald H. Rumsfeld, den ehemaligen Direktor der Central Intelligence Agency (CIA), Georg Tenet, sowie weitere in den Vereinigten Staaten von Amerika sich aufhaltende oder in der Bundesrepublik Deutschland stationierte Angehörige der Armee der Vereinigten Staaten von Amerika Strafanzeige erstattet und diesen hierin vorgeworfen, für die im Jahre 2003 und später erfolgten Misshandlungen von Gefangenen im Gefängnis von Abu Graib/Irak verantwortlich zu sein. Sie müssten sich deshalb wegen Kriegsverbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch vor Gerichten der Bundesrepublik Deutschland verantworten.
Von der Verfolgung dieser Taten sah der Generalbundesanwalt am 10.02.2005 nach § 153 f StPO mit der Begründung ab, die von den Anzeigenerstattern erhobenen Vorwürfe würden in den Vereinigten Staaten von Amerika anderweitig verfolgt. Hiergegen haben diese Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 172 Abs.1 StPO) gestellt, mit welchem sie erreichen wollten, die Bundesanwaltschaft zur Aufnahme von strafrechtlichen Ermittlungen zu verpflichten.
Diesen Antrag hat das Oberlandesgericht Karlsruhe nunmehr bereits mangels Zuständigkeit zurückgewiesen. Da den Angezeigten Verstöße gegen das Völkerstrafgesetzbuch vorgeworfen würden, handle es sich um sog. Staatsschutzsachen, für welche ausschließlich Oberlandesgerichte zuständig seien, in deren Bezirk die Landesregierung ihren Sitz habe (§ 120 Abs.1 Nr. 8 GVG). Dies ist beim Oberlandesgericht in Karlsruhe nicht der Fall.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 27.06.2005 - 1 Ws 41/05 -
Hinweis: Die Anzeigenerstatter werden nunmehr zu entscheiden haben, ob sie ein anderes Oberlandesgericht anrufen wollen.
Hinweis auf die Rechtslage (Fettdruck durch Verfasser der Pressemitteilung des OLG Karsruhe)
StPO § 172
(1) Ist der Antragsteller zugleich der Verletzte, so steht ihm gegen den Bescheid nach § 171 binnen zwei Wochen nach der Bekanntmachung die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft zu. ....
(2) Gegen den ablehnenden Bescheid des vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft kann der Antragsteller binnen einem Monat nach der Bekanntmachung gerichtliche Entscheidung beantragen. Hierüber und über die dafür vorgesehene Form ist er zu belehren; die Frist läuft nicht, wenn die Belehrung unterblieben ist. Der Antrag ist nicht zulässig, wenn .....
(4) Zur Entscheidung über den Antrag ist das Oberlandesgericht zuständig. § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes ist sinngemäß anzuwenden.
GVG § 120
(1) In Strafsachen sind die Oberlandesgerichte, in deren Bezirk die Landesregierungen ihren Sitz haben, für das Gebiet des Landes zuständig für die Verhandlung und Entscheidung im ersten Rechtszug ....
. . .
8. bei Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch.
StPO § 153 f
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat, die nach den §§ 6 bis 14 des Völkerstrafgesetzbuches strafbar ist, in den Fällen des § 153c Abs. 1 Nr. 1 und 2 absehen, wenn sich der Beschuldigte nicht im Inland aufhält und ein solcher Aufenthalt auch nicht zu erwarten ist. Ist in den Fällen des § 153c Abs. 1 Nr. 1 der Beschuldigte Deutscher, so gilt dies jedoch nur dann, wenn die Tat vor einem internationalen Gerichtshof oder durch einen Staat, auf dessen Gebiet die Tat begangen oder dessen Angehöriger durch die Tat verletzt wurde, verfolgt wird.
(2) Die Staatsanwaltschaft kann insbesondere von der Verfolgung einer Tat, die nach den §§ 6 bis 14 des Völkerstrafgesetzbuches strafbar ist, in den Fällen des § 153c Abs. 1 Nr. 1 und 2 absehen, wenn
1. ....
4. die Tat vor einem internationalen Gerichtshof oder durch einen Staat, auf
dessen Gebiet die Tat begangen wurde, dessen Angehöriger der Tat
verdächtig ist oder dessen Angehöriger durch die Tat verletzt wurde, verfolgt wird.
Dasselbe gilt, wenn sich ein wegen einer im Ausland begangenen Tat beschuldigter Ausländer im Inland aufhält, aber die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 2 und 4 erfüllt sind und die Überstellung an einen internationalen Gerichtshof oder die Auslieferung an den verfolgenden Staat zulässig und beabsichtigt ist.
VStGB § 8 (Kriegsverbrechen gegen Personen)
(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt
....
3. eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder
unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische
Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.
VStGB § 1 (Anwendungsbereich)
Dieses Gesetz gilt für alle in ihm bezeichneten Straftaten gegen das Völkerrecht, für die in ihm bezeichneten Verbrechen auch dann, wenn die Tat im Ausland begangen wurde und keinen Bezug zum Inland aufweist.
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