Donnerstag, 11. August 2005

8 Jahre 6 Monate Jugendstrafe nach Tötung einer 18jährigen im Westhafen in Berlin

Die 39. Strafkammer des Landgerichts Berlin (Vorsitzender: VRiLG Marhofer) hat nach 4 Monaten Hauptverhandlung einen wegen Mordes angeklagten 21jährigen wegen Totschlags, schweren Raubes u.a. zu einer Jugendstrafe von 8 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Der Angeklagte hatte gestanden, am frühen Morgen des 3. Juli 2004 die damals 18jährige Stefanie W. getötet zu haben. Das Opfer wurde am Ufer des Berliner Westhafenkanals gefunden.

Das Gericht hat entgegen dem ursprünglichen Vorwurf nicht festgestellt, dass der Angeklagte sein späteres Opfer zuvor vergewaltigt und dann getötet hatte, um die Vergewaltigung zu vertuschen. Es kann zumindest nicht ausschließen, dass ein Geschlechtsverkehr in der Wohnung des Angeklagten freiwillig erfolgt war.
Die genauen Todesumstände bleiben trotz des Geständnisses auch nach dem Urteil teilweise im Dunkeln. Denn der Angeklagte konnte sich an das genaue Tatgeschehen nicht mehr erinnern, da er – wie das Opfer – zur Tatzeit ganz erheblich unter Drogen stand. Weitere direkte Tatzeugen gibt es nicht.

Die von der Staatsanwaltschaft beantragte Verurteilung wegen Mordes war ausgeschlossen – so das Gericht -, da zwar nach dem Geständnis des Angeklagten von einer vorsätzlichen Tötung (Totschlag, § 212 Strafgesetzbuch) auszugehen sei. Ein für die Verurteilung wegen Mordes (§ 211 Strafgesetzbuch) zusätzlich notwendiges Mordmerkmal sei jedoch nicht nachweisbar.

Eine Heimtücke, d. h. das gezielte In-Sicherheit-Wiegen des späteren Opfers vor der Tat, hat das Gericht nicht feststellen können. Denn das genaue Geschehen zwischen dem Verlassen der Wohnung und der Tötung bleibt ebenfalls unklar.
Auch die Voraussetzungen für die Annahme sonstiger niedriger Beweggründe als Mordmerkmal liegen nicht zweifelsfrei vor. Denn das vom Angeklagten für die Tat angeführte Motiv, er habe verhindern wollen, dass Stefanie W. seiner Freundin von dem „Fremdgehen“ erzähle und sie sich von ihm trenne, vermochte das Gericht zwar nicht zu widerlegen. Aufgrund einer seit Jahren bestehenden Gewaltneigung des Angeklagten, die nach den Ausführung eines psychiatrischen Sachverständigen Krankheitswert habe, handele es sich bei der Angst vor der Freundin jedoch zumindest nicht zweifelsfrei um die „Hauptmotivation“ für die Tat.

Ein vom Angeklagten im Juli 2004 begangener bewaffneter Überfall auf einen Zeitungsladen wurde ebenfalls festgestellt und in die Verurteilung einbezogen.
Vom Vorwurf einer weiteren Vergewaltigung im Juli 2004 wurde der Angeklagte mangels ausreichender Beweise hingegen vom Gericht freigesprochen.

Aufgrund massiver Schwierigkeiten seit frühester Kindheit liegen bei dem Angeklagten deutliche Reifeverzögerungen vor, die zur Anwendung des Jugendstrafrechts (Jugendstrafe bis höchstens 10 Jahre) führten. Bei dem Angeklagten bestünde aber noch die Chance einer Besserung durch die Möglichkeiten des Jugendstrafvollzugs, so der Vorsitzende Richter Peter Marhofer in der Urteilsbegründung.

Zur Strafhöhe sagte er, strafmildernd habe sich ausgewirkt, dass der Angeklagte zur Tatzeit erheblich unter Drogen stand (Amphetamin, Speed u. a.) und die Taten bereits bei der Polizei gestanden habe. Eine Aufklärung der Tötung von Stefanie W. wäre ansonsten wohl kaum möglich gewesen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann von dem Angeklagten, den Nebenklägern (u. a. den Eltern der Getöteten) und der Staatsanwaltschaft binnen einer Woche mit dem Rechtsmittel der Revision angefochten werden.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

"...Bei dem Angeklagten bestünde aber noch die Chance einer Besserung durch die Möglichkeiten des Jugendstrafvollzugs, so der Vorsitzende Richter Peter Marhofer in der Urteilsbegründung..."

Hoffentlich irrt sich der Richter nicht zum Nachteil späterer Opfer!