Samstag, 28. Januar 2006

Bundesrepublik haftet nicht generell für Verbindlichkeiten der DDR

Der Bundesgerichtshof hat folgendes entschieden: (URTEIL vom 30.11.2005 - IV ZR 4/04):

1. Die Bundesrepublik Deutschland haftet nicht im Wege der Universalsukzession für Verbindlichkeiten der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik.
2. Im Einigungsvertrag und auch sonst nicht besonders geregelte Verbindlichkeiten der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, die nicht mit übernomme-nen Gegenständen des Aktivvermögens zusammenhängen (sog. isolierte Verbind-lichkeiten), sind ersatzlos weggefallen.
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Der Staatsfiskus der DDR hatte auf der Basis eines später eingezogenen Erbscheins einen Nachlasswert vereinnahmt. Ein Anspruch des rechtmäßigen Erben, des Bruders des Erblassers, gegen die Bundesrepublik Deutschland nach Erteilung eines neuen Erbscheins wurde verneint.

So heißt es u.a.:

Allerdings geht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Entscheidung vom 2. März 2005 (NJW 2005, 2530 unter Textziffer 77, 81) davon aus, dass die Beklagte Rechtsnachfolgerin der DDR geworden sei. Er hat daraus aber gerade nicht die Folgerung gezogen, dass die Beklagte für alle Verbindlichkeiten der DDR hafte. Im Gegenteil stellt der Europäische Gerichtshof im Hinblick auf Art. 1 Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention ausdrücklich fest, die Beklagte sei nicht verpflichtet, Unrecht und Schäden wieder gutzumachen, zu denen es auf Veranlassung der DDR als eines anderen Staates gekommen ist. Soweit sich die Beklagte gleichwohl entschlossen habe, die Folgen bestimmter Handlungen der DDR zu beseitigen, stehe der Beklagten bei der Umsetzung dieser Politik ein weiter Beurteilungs-spielraum zu (Textziffer 111).
......... Danach sind Verbindlichkeiten, die - wie im vorliegenden Fall - nicht mit übernommenen Gegenständen des Aktivvermögens zusammenhängen ("isolierte" Verbindlichkeiten) und auch sonst keine besondere Regelung gefunden haben, anders als viele andere Verbindlich-keiten mit dem Untergang der früheren Schuldner ersatzlos weggefallen.

........ Mit der Nichtübernahme nicht ausdrücklich geregelter, "isolierter" Verbindlichkeiten, wie sie hier in Rede stehen, auf neue Rechtsträger hat der Gesetzgeber den ihm zukommenden Gestaltungsspielraum aber nicht in einer Art. 3 Abs. 1 GG verletzenden Weise überschritten. Der Gleichheitssatz wäre nur verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder sonst einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht finden ließe, die Regelung also als willkürlich bezeichnet werden müsste. Im vorliegenden Fall liegt auf der Hand, dass der Gesetzgeber für die Überleitung von Verbindlichkeiten, die mit aktiven, von neuen Rechtsträgern übernommenen Vermögenswerten in einem näheren Zusammenhang stehen, sachliche Gründe sehen konnte. Das nötigte aber nicht zu einer generellen Übernahme sämtlicher Schulden der DDR. Dass hierzu gerade keine Verpflichtung bestehen sollte, steht auch hinter der Regelung des Art. 135a Abs. 2 GG (vgl. BGHZ 139, 152, 160 f.).

b) Die Übernahme sämtlicher Schulden der DDR ist auch nicht durch Art. 14 Abs. 1 GG geboten. Dessen Schutz erstreckte sich vor der Vereinigung der beiden deutschen Staaten nicht auf das Gebiet der DDR. Das Grundgesetz trat dort auch nicht rückwirkend in Kraft. Nur soweit der Einigungsvertrag vermögenswerte Rechte anerkannt hat, standen diese auch unter dem Schutz des Grundgesetzes (BVerfG NJW 1999, 2493 unter C I 1 b aa = BVerfGE 100, 1, 33 f.). Das ist bezüglich der hier geltend gemachten "isolierten" Verbindlichkeit aber gerade nicht der Fall.

Das vollständige Urteil ist hier zu finden.

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