Dienstag, 21. November 2006

Privatkopie in der Regelung der 2. Urheberrechtsänderung

Der Regierungsentwurf enthält (auch) zur Regelung erlaubter Privatkopien eine Auseinandersetzung mit den sich gegenüber stehenden Interessen, nämlich den legitimen zu schützenden Urheberinteressen und den Interessen der Verbraucher, bei der Herstellung von Privatkopien möglichst wenig eingeschränkt zu werden.

Zur Spezialfrage, wie technische Schutzmaßnahmen zur Verhinderung von Privatkopien bewertet und geregelt werden sollen, heisst es im Entwurf in der Bundestagsdrucksache 16/1828 wie folgt:

Der Entwurf sieht davon ab, die digitale Privatkopie beim Einsatz technischer Schutzmaßnahmen durchzusetzen.

Das Urheberrecht genießt grundrechtlichen Schutz. Der Schwerpunkt dieses grundrechtlichen Schutzes liegt in Artikel 14 GG. Das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof haben das Urheberrecht mehrfach als „geistiges Eigentum“ definiert. Eigentum im Sinne von Artikel 14 Abs. 1 GG sind dabei nicht nur das Urheberrecht, sondern auch die Leistungsschutzrechte z. B. der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller. Der Gesetzgeber hat den Inhalt des Urheberrechts mit den Regelungen des § 11 ff. und des § 44a ff. ausgestaltet. Er hat dabei nach Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 GG die Sozialpflichtigkeit des geistigen Eigentums – genauso wie die des Sacheigentums – berücksichtigt und darauf geachtet, dass er nicht Einzelnen ein Sonderopfer auferlegt. Als „grundgesetzlich geschützten Kern des Urheberrechts“ hat das Bundesverfassungsgericht

„die grundsätzliche Zuordnung des vermögenswerten Ergebnisses der schöpferischen Leistung an den Urheber im Weg der privatrechtlichen Normierung und seine Freiheit, in eigener Verantwortung darüber verfügen zu können“ (BVerfGE 31, 229, 240f). Daraus folgt, dass das Urheberrechtsgesetz nur dann ausnahmsweise die Nutzung urheber- rechtlicher Werke ohne die Zustimmung des Urhebers oder Rechtsinhabers gestatten darf, wenn diese Nutzungsfreiheit durch überragende Allgemeininteressen gerechtfertigt ist.
Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben haben nicht nur die Schrankenregelungen, sondern auch die Ausgestaltung des urheberechtlichen pauschalen Vergütungssystems im geltenden Recht bestimmt. Der Gesetzgeber des Jahres 1965 hat die Privatkopie zugelassen, weil ein Verbot mangels Durchsetzbarkeit für den Urheber ohne Nutzen gewesen wäre und der Gesetzgeber dem Urheber über die Gerätevergütung wenigstens einen finanziellen Ausgleich für die un- kontrollierbare Nutzung seiner Werke sichern wollte. Sinn und Zweck der damaligen Regelung von 1965 und der nachfolgenden Ergänzung des Jahres 1985 war dabei aus- schließlich der Schutz des geistigen Eigentums. Die Interessen der Verbraucher waren kein Beweggrund für die Ausgestaltung dieser Regelung. Vielmehr war es nur ein Reflex des Schutzgesetzes für den geistigen Eigentümer, dass die Vervielfältigung für den privaten Gebrauch zugelassen wurde.
Die Rechtsinhaber können heute – anders als 1965 und 1985 – ihr geistiges Eigentum durch technische Sperren selber schützen. Würde eine Regelung getroffen, die für den Verbraucher auch in diesen Fällen die Möglichkeit schafft, kostenlos in den Genuss von Vervielfältigungen für den privaten Gebrauch zu kommen, so würde damit die kommerzielle Verwertung von Werken in den neuen Medien weit- gehend entwertet. Es darf nicht sein, dass ein kostenloser Genuss von geistigem Eigentum für den Verbraucher zur Regel wird. Es gilt vielmehr, auch durch die Regelung der Privatkopie zu vermitteln, dass geistiges Eigentum – wie Sacheigentum – seinen Preis hat. Gerade Deutschland als rohstoffarmes Land ist auf einen entsprechenden gesell- schaftlichen Konsens angewiesen. Nur wenn das Ergebnis von Kreativität angemessen bezahlt wird, wird es auch künftig Inhalte geben, die vom Verbraucher genutzt werden können.
Den Verbrauchern ist aus der Befugnis zur Privatkopie, die 1965 aus der Not der geistigen Eigentümer geboren wurde, kein Recht erwachsen, das sich heute gegen das geistige Eigentum ins Feld führen ließe.
Nichts anderes folgt aus dem Grundrecht der Informationsfreiheit. Artikel 5 GG schützt das Recht, sich selbst aus all- gemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Allgemein zugänglich ist eine Informationsquelle, die tech- nisch geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit Infor- mationen zu verschaffen. Schutz besteht u. a. vor Informa- tionsbeschränkungen und staatlichen Meinungslenkungen (BVerfGE 27, 71, 80). Hierzu gehört auch das Interesse der Allgemeinheit am Zugang zu Kulturgütern. Die Informationsfreiheit garantiert aber keinen kostenlosen Zugang zu allen gewünschten Informationen. Vielmehr ist eine Abhän- gigkeit des Informationserhalts von Leistungsentgelten ausdrücklich ohne Belang, ebenso der technische Aufwand für ihre Erschließung. So ist beispielsweise auch das Bezahl-
fernsehen eine allgemein zugängliche Quelle im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 GG (Schulze-Fielitz in Dreier, GG-Kom- mentar 2004, Artikel 5 Rn. 80). Insoweit ist zwischen einem Recht auf Privatkopie und einem Recht auf den Werkzugang zu unterscheiden.
Im Übrigen ist derzeit offen, in welchem Maß die Systeme des digitalen Rechtemanagements technisch den Anforde- rungen entsprechen, die von den Rechtsinhabern selbst hin- sichtlich Sicherheit und Abspielbarkeit an diese Systeme gestellt werden. Außerdem ist noch offen, für welches Geschäftsmodell sich die Rechtsinhaber mehrheitlich entscheiden werden. Gegenwärtig bedient sich zwar ein Teil von ihnen der technischen Schutzmaßnahmen – ggf. auch als Grundlage einer individuellen Lizenzierung. Es ist aber keineswegs eine Prognose dahingehend möglich, dass in ab- sehbarer Zeit technische Schutzmaßnahmen flächendeckend zum Einsatz kommen werden. Vielmehr spricht vieles da- für, dass ein beachtlicher Teil der Rechtsinhaber – z. B. aus Gründen der Kundenbindung oder Marktakzeptanz – auch weiterhin keine technischen Schutzmaßnahmen einsetzen wird. Diese Entscheidung sollte den am Markt Beteiligten überlassen bleiben und nicht durch den Gesetzgeber getroffen werden. Solange es aber offen ist, ob die Verwerter überhaupt künftig am Einsatz von Kopierschutzmaßnahmen festhalten werden, wäre ein Eingreifen des Gesetzgebers voreilig.

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Rolf, nun willst Du es aber wissen. 2 mal bunt, jetzt wird wieder mitdenken (und endloslesen) gefordert.

Auch wenn ich nicht Sister bin. Die Frage ist meiner Ansicht eine andere:

Inwieweit benötigen wir staatliche Reglementierung zur Sicherung eines Wirtschaftszweiges.

Lichtenrader Notizen von Rolf Jürgen Franke hat gesagt…

Das hängt mit dem Eigentumsschutz zusammen. Ein wenig auch mit dem staatlichen Gewaltmonopol. Wie sollen Rechte geschützt werden? Gar nicht? Warum wird Eigentum strafrechtlich geschützt?

Anonym hat gesagt…

Das ist m.E. falsch. Eine CD kostet z.B. 10 EUR. Der Lizenzgeber bekommt meinetwegen 10 Cent. Eigentumsschutz zwischen Privatperonen? Art 14 regelt den Schutz des Eigentums ggü. dem Staat, nicht unter "Privatpersonen".

Lichtenrader Notizen von Rolf Jürgen Franke hat gesagt…

Das haben wir Juristen alle gelernt - Grundrechte sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Sie sind aber mehr. Sie prägen auch das Rechtswesen und die Gesetzgebung ist an ihnen zu messen. Verfassungswidrig wäre ein Gesetz, das ohne Entschädigung enteignet. Hier setzt das Problem ein: Geistiges Eigentum ist auch zu schützen. Es kann nicht sein, dass Dritte sich legal gegen den Willen des Urhebers bei dessen Rechten bedienen dürfen. Gesetze dürfen m.E. derartiges nicht gestatten. Man versucht die Grenze zu ziehen, bei der Privatkopien das Urheberrecht nicht relevant berühren und kostenfrei hergestellt dürfen und wo nicht mehr. Im übrigen darf der gewählte Gesetzgeber Regelungen treffen, die er für erforderlich und sinnvoll hält, soweit sie nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen.Da kann man das mehr oder weniger liberal, konservativ oder wie auch immer sehen. Man kann sich natürlich fragen, ob die Privatkopie einer legal erworbenen Quelle, egal ob technisch besonders geschützt oder nicht geschützt, nicht gleich behandelt werden müsste. Die technischen Sicherungsmaßnahmen eines urheberrechtlich geschützten Werkes scheinen kein taugliches Kriterium für die Schutzgrenze zu sein. Es handelt sich mehr um eine praktische Frage - wie soll eine leichte Kopienfertigung überhaupt verhindert werden können? Bei der Überwindung von Schutzmechanismen lässt sich eine ggf. verbotene Energie bei der Herstellung einer Privatkopie feststellen. Das wäre aber eine brüchige Begründung, weil Ursache und Wirkung durcheinander gebracht wird. Alternative wäre vielleicht, es allein am Nutzungszweck "eigener Privatkopie" festzumachen, so dass Weitergabe unzulässig wäre, egal ob entgeltlich oder unentgeltlich.

Anonym hat gesagt…

Ich greife jetzt nur den Satz auf, dass es verfasungswidrig ist, ohne Enschädigung zu enteignen und "entführe" das Thema. Dann guten Morgen.

Was ist denn dann mit den Insolvenzverfahren. Dies sind zumindest enteifnungsgleiche Eingriffe??? Nur mal so in den Raum geworfen. Schreibe morgen gern mehr.

Schön die Wandlung dieses Blogs.

Lichtenrader Notizen von Rolf Jürgen Franke hat gesagt…

Das Bundesverfassungsgericht wird sich sicher mit dieser Frage noch beschäftigen müssen.

Anonym hat gesagt…

Bei der Diskussion geht es längst nicht mehr um Urheberrechte. Wie Katze richtig schrieb, wird der Urheber mit einem Centbetrag abgespeist.

Die CD/DVD Industrie will ihren Markt behaupten, ohne den Preis den tatsächlichen Kosten anzupassen. Dieses Verhalten sollte nicht der Gesetzgeber regulieren.

Wenn ich mir bei musicload einen Titel bzw. eine CD runterladen, dann bekomme ich eine LIZENZ zum X mal brennen. Da soll es dann wieder legal sein???