Montag, 21. März 2005

3. Strafkammer des LG Berlin, Prozess um Kindesentführung, Ermittler gaben Ermittlungsergebnisse nicht weiter

Die Welt berichtet über einen emotionsgeladenen Prozess, bei dem es um die Entführung von zwei seit fünf Jahren verschwundenen Kindern geht: Was gestern in der 3. Kammer des Landgerichtes passierte, war nicht alltäglich: Erst lehnte der Angeklagte Ägypter Mahmoud El A. seinen Verteidiger wegen Bruch des Vertrauensverhältnisses ab, dann stellte sich heraus, daß Beamte des Landeskriminalamtes (LKA) wichtige Ermittlungsakten dem Gericht vorenthalten hatten. Daß dies in diesem Prozeß geschah, ist besonders pikant. Angeklagt ist der 41jährige Mahmoud El A. aus Berlin wegen Kindesentzuges. Es droht ihm Haft bis zu zehn Jahren.

Der ehemalige Mitarbeiter der ägyptischen Botschaft in Bonn war von 1993 bis 2000 mit der Systemanalytikerin Helen S. verheiratet. Anfangs war es eine sehr glückliche Beziehung. Es kamen die Kinder Hannah und Ibrahim. Man zog nach Berlin. Dann kriselte es, die Ehe wurde geschieden. Die heute 40jährige Helen behielt das Sorgerecht, Mahmoud wurde ein Umgangsrecht zugesprochen. Am 28. Dezember 2000 gab Helen wieder einmal die Kinder für einen Tag besuchsweise an ihren Ex-Mann ab. Seitdem sind sie verschwunden. Auch Mahmoud tauchte unter. "Du wirst sie nie mehr sehen, nie mehr sprechen, nie mehr von ihnen hören", soll Mahmoud damals am Telefon gebrüllt haben. Jahrelang beobachtete die Polizei das Umfeld des Ägypters. Und es verdichteten sich die Verdachtsmomente, daß er seine Kinder nach Ägypten zu Verwandten geschleust haben könnte. Vor 14 Monaten griff die Polizei in einem Berliner Sozialamt zu. Mahmoud sitzt seitdem in Untersuchungshaft. "Seit mehr als vier Jahren wird alles versucht, den Aufenthaltsort der Kinder herauszufinden, bislang vergeblich", sagt Rechtsanwalt Hans Odefey, Nebenkläger der Mutter.

Mahmoud El A. streitet bis heute den Kindesentzug ab. "Ich habe selbst meine Kinder seit vier Jahren nicht gesehen", sagt er. In diesen 14 Monaten wurde fieberhaft nach den Kindern gesucht, die heute zehn und acht Jahre alt sind. Auch im ehemaligen Freundeskreis wurde nachgeforscht, Wohnungen durchsucht, Bekannte und Freunde von Mahmoud nachts vernommen. Wie I. El-S, der gestern als Zeuge geladen war.

Aus seiner Befragung entnahm die Vorsitzende Richterin Margarete Koppers, daß er bei seinen polizeilichen Vernehmungen durchaus über Täterwissen verfügt haben könnte. So gab er ägyptische Orte an, wo sich die Kinder aufhalten könnten. Auch Namen von Helfershelfern des Mahmoud El A. seien in den Vernehmungen gefallen. Das LKA war aber bei der Vernehmung von El-Sherbini offenbar nur am Fahndungserfolg für die Verhaftung des Vaters interessiert gewesen. So wurden diese ermittlungswichtigen Angaben gestern im Gerichtssaal von dem Kriminaloberkommissar Sven Schlief "als nicht besonders wichtig" eingestuft. Nicht genug damit: Auch die von Schlief angefertigten Vermerke über die Vernehmungen gelangten nicht in die Prozeßakte. "Ein unglaublicher Vorgang", sagte Verteidiger Olaf Franke, der sein Mandat niederlegte. Es seien bereits mehrfach Akten der Ermittlungsbehörden in diesem Fall verschwunden. Richterin Koppers zeigte sich entsetzt über das LKA. Sie verlangte alle noch vorhanden Unterlagen und vertagte den Prozeß auf den 6. April. Artikel erschienen am Di, 22. März 2005

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