Donnerstag, 10. März 2005

Berliner Gefängnisse überbelegt - 376 Gefangene menschenunwürdig untergebracht

Die Berliner Morgenpost berichtet: Die Zahl der Gefangenen in Berlin hat sich in den ersten Monaten dieses Jahres weiter erhöht. Das geht aus einem Bericht von Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) an den Rechtsausschuß des Abgeordnetenhauses hervor. Er wird heute beraten. Danach stieg die Zahl der Gefangenen innerhalb eine Monats um 4,7 Prozent auf 5474 an. Das Kammergericht hatte im Juni 2004 entschieden, dass es gegen die Menschenwürde verstoße, wenn Gefangene in einem Haftraum ohne baulich abgetrennte und entlüftete Toilette untergebracht werden. Das Kammergericht hatte durch Beschluss vom 16.06.2004 - 5 Ws 212/04 Vollz über die Bedingungen für die Unterbringung von Gefangenen in einem Gemeinschaftsraum zu entscheiden. Es ging um die Unterbringung von drei Gefangenen in einem Haftraum, der lediglich über einen durch einen Schamvorhang abgetrennten Toilettenbereich verfügt. Das Kammergericht: "Zwar ist in der Justizvollzugsanstalt Tegel die Mehrfachbelegung nach wie vor nicht ausgeschlossen (§ 201 Nr. 3 StVollzG). Daraus folgt aber nicht, daß jede Mehrfachbelegung unabhängig von der Ausstattung des Haftraumes gegen den Willen des Gefangenen zulässig wäre. Die durch den Beschwerdeführer beanstandeten Haftbedingungen, nämlich die Unterbringung mehrerer Gefangener in einer Gemeinschaftszelle
ohne abgetrennten Toilettenbereich sind auch Beachtung der gebotenen Zurückhaltung als verfassungswidrig anzusehen. Der vorhandene Schamvorhang bietet weder hinreichenden
Sicht- noch Geruchs- und Geräuschschutz, so daß im Falle der Toilettenbenutzung eines Gefangenen in unzumutbarer Weise allen Gefangenen jede Rückzugsmöglichkeit genommen, in ihre Intimsphäre eingegriffen und ihre Menschenwürde verletzt wird. Dies gilt unabhängig von der Dauer der Unterbringung.
Die Mehrfachbelegung eines Haftraumes verstößt daher dann gegen Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 3 EMRK, wenn – wie hier - die Toilette nicht baulich abgetrennt oder nicht gesondert entlüftet
ist."

Das Bundesverfassungsgericht hatte schon zwei Entscheidungen zur menschwürdigen Unterbringung von Gefangenen in Gemeinschaftszellen getroffen, nämlich hier und hier.

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