Der Berliner Tagesspiegel berichtet: "An einem Abend im September 1992 ging Thomas F. zu einem Freund. Er kehrte nie mehr zurück. Die Eltern meldeten ihren 29-jährigen Sohn einige Tage später als vermisst. Sie brachten den Freund ins Spiel, den Thomas besuchen wollte. Der Mann wurde von der Polizei vernommen und durfte wieder gehen. Zehn Jahre später aber das grausige Geständnis des Freundes: Thomas F. ist tot. Gestorben in einer Wohnung in Weißensee. Die Leiche hat der Freund im Müll entsorgt. Sie tauchte nie wieder auf.
Die Eltern hatten sich all die Jahre immer wieder gefragt, was passiert sein könnte. Sie trauerten und warteten. Sie hatten immer Matthias S. in Verdacht. Vor etwa zwei Jahren wurde er erneut vernommen. Weil er einem anderen Kumpel etwas über den Tod von Thomas F. erzählt haben soll. Nun räumte er endlich das Furchtbare ein. Die Justiz wollte ihn danach zur Rechenschaft ziehen.
In der Anklage gegen den 32-jährigen Mann hieß es, er habe Thomas F. gewaltsam in das Badezimmer seiner damaligen Wohnung geschubst, so dass dieser mit dem Schädel gegen die Wand prallte. Anschließend soll er den Kopf seines Freundes noch etwa drei- bis viermal gegen die Badezimmerwand gestoßen haben. „Tags darauf entsorgte Matthias S. den Leichnam in einer auf dem Hinterhof seines Wohnhauses abgestellten Mülltonne“, sagt der Staatsanwalt.
Der Angeklagte saß einige Monate in Untersuchungshaft. Im Ermittlungsverfahren und im Prozess vor dem Berliner Landgericht sprach er von viel Alkohol, den sie in der verhängnisvollen Nacht getrunken hätten. Thomas habe ihn dann provoziert. Er gab zu, seinen Zechkumpan geschlagen zu haben. Er beschrieb die Szene, bestritt aber, Thomas F. umgebracht zu haben. Er habe Thomas F. am nächsten Morgen tot aufgefunden und den anfänglichen Gedanken, die Polizei zu rufen, wieder verworfen. Er brachte die Leiche in den Müllcontainer, der am folgenden Tag geleert wurde.
Keine Leiche, keine Spuren. Es blieb nur die Aussage des Schlägers. Ein medizinischer Gutachter errechnete, dass Thomas F. nach Angaben des Angeklagten etwa 3,5 bis 4 Promille Alkohol im Blut hatte. Dass tatsächlich die Schläge zum Tod führten, konnte nicht festgestellt werden. Ein Tötungsdelikt war damit nicht nachweisbar. Und eine gefährliche Körperverletzung ist nach zehn Jahren verjährt. Im Zweifel für den Angeklagten.
Die Eltern von Thomas F. waren nicht im Gerichtssaal, als der Schläger freigesprochen wurde. Sie hatten nicht einmal erfahren, dass dem Mann der Prozess gemacht wurde. Benachrichtigt werden nur Personen, die im juristischen Sinne am Verfahren beteiligt sind – als Zeugen, Anwälte oder Nebenkläger. Das waren die Eltern nicht. Und niemand hatte daran gedacht, sie nach all den Jahren der quälenden Ungewissheit trotzdem zu benachrichtigen."
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