Dienstag, 19. April 2005

Staatsanwaltschaft Köln: Ermittlungen in Zusammenhang mit Zeugenbeeinflussungen bei VISA-Affäre im Außenministerium

Der Tagesspiegel berichtet, dass die Staatsanwaltschaft Köln am Freitag, dem 15.04.2005, ein Ermittlungsverfahren eingeleitet habe um u.a. herauszufinden, ob Mitarbeiter des Außenministeriums im Vorfeld ihrer Aussagen als Zeugen im sogenannten Schleuserprozess in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Köln unter Umständen zu Aussagedelikten angestiftet wurden. LiNo hat am 30.03.2005 zu der in der Welt veröffentlichten Feinabstimmung die Ansicht vertreten, dass Ermittlungen geboten seien.

Die Staatsanwaltschaft Köln hatte am 22.03.2005 noch noch gemeint, es sei nichts zu ermitteln, und wenn, dann sei das Angelegenheit der Berliner Staatsanwaltschaft und folgendes veröffentlicht:

"Ermittlungs-/Strafverfahren im Zusammenhang mit der Erteilung von Visa u.a.
Gegenüber Presseorganen hat Oberstaatsanwalt Bülles von der Staatsanwaltschaft Köln nach seiner Zeugenvernehmung vor dem Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestags seine Meinung nicht nur zu dem bei der Staatsanwaltschaft Köln anhängigen Verfahren, sondern auch zur Prüfung eines Anfangsverdachts strafbarer Handlungen gegen Außenminister Fischer geäußert. Dies wird vielfach als Ratschlag an die Staatsanwaltschaft Berlin verstanden.
Hierzu bemerke ich:
Die Staatsanwaltschaft Köln hat keinerlei Anlass, derartige Ermittlungen zu erwägen, geschweige denn, dies anderen zu empfehlen.
Die hier vorliegenden Erkenntnisse zu einer eventuellen Verantwortlichkeit von Angehörigen der Bundesministerien sind der Staatsanwaltschaft Berlin im Jahre 2004 vollständig mitgeteilt worden. Hierbei bestand kein Anlass, strafrechtliche oder vorbereitende Maßnahmen gegen Außenminister Fischer anzuregen. Mit der Prüfung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Mitarbeiter der Bundesministerien ist nunmehr allein die Staatsanwaltschaft Berlin befasst. Die Staatsanwaltschaft Köln hat keinen Anlass, den Kolleginnen und Kollegen der Staatsanwaltschaft Berlin hierzu irgendwelche Ratschläge oder Anregungen zu erteilen.
( Kapischke )"

Report Mainz hat zu seiner Sendung am 18.04.2005 folgenden Pressetext veröffentlicht:

"Mainz/Berlin - 18.04.2005. Das Auswärtige Amt hat nach einem Bericht des ARD-Magazins REPORT MAINZ wegen der Visa-Affäre neuen Ärger mit der Justiz. Die Staatsanwaltschaft Köln leitete vor wenigen Tagen ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Anstiftung und Beihilfe zur Falschaussage im Kölner Schleuserprozess ein. Hintergrund ist das Aussage-verhalten von Beamten des Außenministeriums im Strafverfahren gegen den verurteilten Schleuser Anatoli B. vor knapp eineinhalb Jahren. Damals sollen die Zeugen ein geschöntes Bild der Lage gezeichnet und die Affäre verharmlost haben. Das Verfahren richtet sich zunächst gegen Unbekannt

Nach Recherchen von REPORT MAINZ existiert in den vertraulichen Akten des Auswärtigen Amtes eine sogenannte "Sprachregelung - Verfahren vor dem Landgericht Köln", in der die Affäre um massenhaften Visa-Missbrauch vor allem in der Deutschen Botschaft in Kiew an mehreren Stellen beschönigt wird. "AA (Auswärtiges Amt) hat eine zu großzügige Visumserteilungspraxis erkannt und in der Folge versucht zu korrigieren." Weiter heißt es, das Ministerium habe, als erste Verdachtsmomente über illegale Schleusungen im Januar 2001 einliefen, sofort reagiert und die Auslandsvertretungen auf ihre Prüfungspflichten hingewiesen. Tatsächlich aber hat das Auswärtige Amt den massenhaften Visa-Missbrauch danach noch jahrelang laufen lassen.

Dieses Papier trägt als sogenanntes "Non-Paper" keinen Adressaten, keinen Absender und kein Datum. Es wurde Bundesaußenminister Joschka Fischer im Februar 2004 "zur Unterrichtung" zugeleitet. Der Staatsrechtler Jörn Ipsen, Universität Osnabrück, erklärt zum Hintergrund: "Es ist üblich, dass solche Sprachregelungen (...) nur von der Leitung des Hauses kommen können und insofern ist der Bundesminister verantwortlich für die Affäre in der Affäre".

Das Nachbar-Dokument zur "Sprachregelung" im selben Ordner trägt das Datum 10. Juli 2003. Es ist ein umfangreicher Sachstandsbericht des zuständigen Visa-Referates im Auswärtigen Amt. Darin werden die Missstände um den jahrelangen Visa-Missbrauch aufgrund der verschie-denen Erlasse des Ministeriums detailliert aufgelistet. Unter anderem findet sich darin der Hin-weis, dass die Visa-Anträge in Kiew im Jahr 2001 meist ohne jede Prüfung, lediglich nach Vor-lage eines "Carnet de Touriste" des ADAC oder des "Reiseschutzpasses" erteilt wurden. Wört-lich heißt es weiter: "Auf einer Vielzahl von Anträgen ist aufgrund vollständig fehlender Arbeits-vermerke nicht erkennbar, wer den Antrag bearbeitet und genehmigt hat."

Zur gleichen Zeit, als diese Papiere erstellt wurden, bereitete sich das Außenministerium auf die Zeugenaussagen im Kölner Verfahren vor, geht aus den Akten hervor. In einem Vermerk vom September 2003 ist festgehalten, wie man die Affäre verharmlosen wollte. Das Ministerium habe das "Interesse, im Gerichtsverfahren eindeutig klarzustellen, dass der behauptete ‚Menschenschmuggel' von der Bundesregierung nicht erleichtert oder geduldet wurde", heißt es in dem als "Verschlusssache" klassifizierten Dokument.

Rechtsexperten, denen REPORT MAINZ diese Unterlagen vorgelegt hat, erklären dazu, das Ministerium habe den Schleuser-Skandal vor den deutschen Strafgerichten beschönigen wol-len. Der Strafrechtsprofessor Harro Otto, Universität Bayreuth, gegenüber REPORT MAINZ: "Wenn die Zeugen auf die Sprachregelung eingeschworen wurden, dann ist hier ein ganz deut-licher Missbrauch mit den Möglichkeiten einer Behörde erfolgt. Hier ist nicht etwa Hilfe geleistet worden bei der Aufklärung krimineller Verhaltensweisen, sondern es sind kriminelle Verhal-tensweisen verdeckt worden". Der Staatsrechler Prof. Jörn Ipsen, Universität Osnabrück, bezeichnet die Sprachregelung als "rechtsstaatlich und strafrechtlich hoch problematisch."

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