Sonntag, 22. Mai 2005

Rechtsquellen zur geplanten Neuwahl

GG Artikel 63
(1) Der Bundeskanzler wird auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestage ohne Aussprache gewählt.
(2) 1 Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereinigt. 2 Der Gewählte ist vom Bundespräsidenten zu ernennen.
(3) Wird der Vorgeschlagene nicht gewählt, so kann der Bundestag binnen vierzehn Tagen nach dem Wahlgange mit mehr als der Hälfte seiner Mitglieder einen Bundeskanzler wählen.
(4) 1 Kommt eine Wahl innerhalb dieser Frist nicht zustande, so findet unverzüglich ein neuer Wahlgang statt, in dem gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält. 2 Vereinigt der Gewählte die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich, so muß der Bundespräsident ihn binnen sieben Tagen nach der Wahl ernennen. 3 Erreicht der Gewählte diese Mehrheit nicht, so hat der Bundespräsident binnen sieben Tagen entweder ihn zu ernennen oder den Bundestag aufzulösen.

GG Artikel 67
(1) 1 Der Bundestag kann dem Bundeskanzler das Mißtrauen nur dadurch aussprechen, daß er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt und den Bundespräsidenten ersucht, den Bundeskanzler zu entlassen. 2 Der Bundespräsident muß dem Ersuchen entsprechen und den Gewählten ernennen.
(2) Zwischen dem Antrage und der Wahl müssen achtundvierzig Stunden liegen.

GG Artikel 68
(1) 1 Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen. 2 Das Recht zur Auflösung erlischt, sobald der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen anderen Bundeskanzler wählt.
(2) Zwischen dem Antrage und der Abstimmung müssen achtundvierzig Stunden liegen.


Grundlegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Urteil des Zweiten Senats vom 16. Februar 1983 auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 1983 -- 2 BvE 1, 2, 3, 4/83 --: BVerfGE 62,1
http://www.oefre.unibe.ch/law/dfr/bv062001.html

Leitsätze BVerfGE 62, 1 - Bundestagsauflösung:

1. Im Organstreit kann der einzelne Bundestagsabgeordnete die behauptete Verletzung jedes Rechts, das mit seinem Status als Abgeordneter verfassungsrechtlich verbunden ist, im eigenen Namen geltend machen. An der Gewährleistung der in Art. 39 Abs. 1 Satz 1 GG festgelegten Dauer der Wahlperiode hat der Status des Abgeordneten Anteil.
2. Die Anordnung der Auflösung des Bundestages oder ihre Ablehnung gemäß Art. 68 GG ist eine politische Leitentscheidung, die dem pflichtgemäßen Ermessen des Bundespräsidenten obliegt. Ein Ermessen im Rahmen des Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG ist dem Bundespräsidenten freilich nur dann eröffnet, wenn im Zeitpunkt seiner Entscheidung die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen.
3. Art. 68 GG normiert einen zeitlich gestreckten Tatbestand. Verfassungswidrigkeiten, die auf den zeitlich vorangehenden Stufen eingetreten sind, wirken auf die Entscheidungslage fort, vor die der Bundespräsident nach dem Auflösungsvorschlag des Bundeskanzlers gestellt ist.
4. a) Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG ist eine offene Verfassungsnorm, die der Konkretisierung zugänglich und bedürftig ist.
b) Die Befugnis zur Konkretisierung von Bundesverfassungsrecht kommt nicht allein dem Bundesverfassungsgericht, sondern auch anderen obersten Verfassungsorganen zu. Dabei sind die bereits vorgegebenen Wertungen, Grundentscheidungen, Grundsätze und Normen der Verfassung zu wahren.
c) Bei der Konkretisierung der Verfassung als rechtlicher Grundordnung ist zumal ein hohes Maß an Übereinstimmung in der verfassungsrechtlichen wie verfassungspolitischen Beurteilung und Bewertung der in Rede stehenden Sachverhalte zwischen den möglichen betroffenen obersten Verfassungsorganen unabdingbar und eine auf Dauer angelegte, stetige Handhabung unerläßlich. Eine politisch umkämpfte und rechtlich umstrittene Praxis von Parlamentsmehrheiten und Regierungsmehrheiten reicht als solche hierfür nicht aus.
5. Vertrauen im Sinne des Art. 68 GG meint gemäß der deutschen verfassungsgeschichtlichen Tradition die im Akt der Stimmabgabe förmlich bekundete gegenwärtige Zustimmung der Abgeordneten zu Person und Sachprogramm des Bundeskanzlers.
6. Der Bundeskanzler, der die Auflösung des Bundestages auf dem Wege des Art. 68 GG anstrebt, soll dieses Verfahren nur anstrengen dürfen, wenn es politisch für ihn nicht mehr gewährleistet ist, mit den im Bundestag bestehenden Kräfteverhältnissen weiterzuregieren. Die politischen Kräfteverhältnisse im Bundestag müssen seine Handlungsfähigkeit so beeinträchtigen oder lähmen, daß er eine vom stetigen Vertrauen der Mehrheit getragene Politik nicht sinnvoll zu verfolgen vermag. Dies ist ungeschriebenes sachliches Tatbestandsmerkmal des Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG.
7. Eine Auslegung dahin, daß Art. 68 GG einem Bundeskanzler, dessen ausreichende Mehrheit im Bundestag außer Zweifel steht, gestattete, sich zum geeignet erscheinenden Zeitpunkt die Vertrauensfrage negativ beantworten zu lassen mit dem Ziel, die Auflösung des Bundestages zu betreiben, würde dem Sinn des Art. 68 GG nicht gerecht. Desgleichen rechtfertigen besondere Schwierigkeiten der in der laufenden Wahlperiode sich stellenden Aufgaben die Auflösung nicht.
8. a) Ob eine Lage vorliegt, die eine vom stetigen Vertrauen der Mehrheit getragene Politik nicht mehr sinnvoll ermöglicht, hat der Bundeskanzler zu prüfen, wenn er beabsichtigt, einen Antrag mit dem Ziel zu stellen, darüber die Auflösung des Bundestages anzustreben.
b) Der Bundespräsident hat bei der Prüfung, ob der Antrag und der Vorschlag des Bundeskanzlers nach Art. 68 GG mit der Verfassung vereinbar sind, andere Maßstäbe nicht anzulegen; er hat insoweit die Einschätzungskompetenz und Beurteilungskompetenz des Bundeskanzlers zu beachten, wenn nicht eine andere, die Auflösung verwehrende Einschätzung der politischen Lage der Einschätzung des Bundeskanzlers eindeutig vorzuziehen ist.
c) Die Einmütigkeit der im Bundestag vertretenen Parteien, zu Neuwahlen zu gelangen, vermag den Ermessensspielraum des Bundespräsidenten nicht einzuschränken; er kann hierin jedoch einen zusätzlichen Hinweis sehen, daß eine Auflösung des Bundestages zu einem Ergebnis führen werde, das dem Anliegen des Art. 68 GG näher kommt als eine ablehnende Entscheidung.
9. In Art. 68 GG hat das Grundgesetz selbst durch die Einräumung von Einschätzungsspielräumen und Beurteilungsspielräumen sowie von Ermessen zu politischen Leitentscheidungen an drei oberste Verfassungsorgane die verfassungsgerichtlichen Überprüfungsmöglichkeiten weiter zurückgenommen als in den Bereichen von Rechtsetzung und Normvollzug; das Grundgesetz vertraut insoweit in erster Linie auf das in Art. 68 GG selbst angelegte System der gegenseitigen politischen Kontrolle und des politischen Ausgleichs zwischen den beteiligten obersten Verfassungsorganen. Allein dort, wo verfassungsrechtliche Maßstäbe für politisches Verhalten normiert sind, kann das Bundesverfassungsgericht ihrer Verletzung entgegentreten.



Aus den Gründen:
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2. Die Anordnung der Auflösung oder ihre Ablehnung ist eine politische Leitentscheidung, die dem pflichtgemäßen Ermessen des Bundespräsidenten obliegt. Dies folgt schon aus dem eindeutigen Wortlaut des Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG, der davon spricht, daß der Bundespräsident den Bundestag auflösen kann; demgegenüber bestimmt zum Beispiel Art. 67 GG, daß der Bundespräsident auf Ersuchen des Bundestages den im Wege des konstruktiven Mißtrauensvotums gestürzten Bundeskanzler entlassen und seinen gewählten Nachfolger zum Bundeskanzler ernennen muß. Für ein Ermessen des Bundespräsidenten spricht auch das Sinngefüge des Art. 68 GG insgesamt: Die Vorschrift ermöglicht die Auflösung nur, wenn drei oberste Verfassungsorgane - Bundeskanzler, Bundestag und Bundespräsident - in einem gestuften Verfahren jeweils selbständige politische Beurteilungen gefällt haben. Der Sinn dieses Gefüges kann nur sein zu verwehren, daß die Auflösung des Bundestages von einem der beteiligten obersten Verfassungsorgane allein angestrebt und bewirkt werden kann; sie soll nur möglich sein über ein Zusammenwirken und unter der gegenseitigen politischen Kontrolle aller Beteiligten. Dies legt einen selbständigen politischen Beurteilungs- und Handlungsbereich auch des Bundespräsidenten nahe, der, wie auch die Art. 63 Abs. 4 und 81 GG belegen, in diesem politischen Spannungsfeld nicht auf bloße Repräsentationsaufgaben und Vollzugsakte beschränkt ist.
3. Ein Ermessen im Rahmen des Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG ist dem Bundespräsidenten freilich nur dann eröffnet, wenn im Zeitpunkt seiner Entscheidung die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Die Verfassungsmäßigkeit seiner Entscheidung hängt mithin davon ab, daß die Tatbestandsmerkmale des Art. 68 GG in verfassungsmäßiger Weise erfüllt sind. Art. 68 GG normiert einen zeitlich gestreckten Tatbestand; an seinem Schluß steht, wenn das Verfahren nicht schon vorher sein Ende findet, die Entscheidung des Bundespräsidenten. Verfassungswidrigkeiten, die auf den zeitlich vorangehenden Stufen eingetreten sind, wirken auf die Entscheidungslage fort, vor die der Bundespräsident nach dem Auflösungsvorschlag des Bundeskanzlers gestellt ist. Sind die formellen oder materiellen Tatbestandserfordernisse des Art. 68 GG nicht in verfassungsgemäßer Weise erfüllt, darf der Bundespräsident den Bundestag nicht auflösen; insoweit ist ihm ein Ermessen nicht eröffnet.

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Demgegenüber schließt das Grundgesetz ein freies Auflösungsrecht aus. Allein in den Fällen der Art. 63 Abs. 4 Satz 3 GG und Art. 68 GG eröffnet es unter engen verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Voraussetzungen den Weg zu einer Auflösung des Bundestages durch den Bundespräsidenten. Die Einordnung der Auflösungstatbestände in den Abschnitt über die Bundesregierung kennzeichnet den Zusammenhang mit dem parlamentarischen Regierungssystem, wie es in Art. 63 und Art. 67 GG konsequent verwirklicht ist.
Die Vorschriften der Art. 63 Abs. 4 GG und Art. 68 GG lassen die Auflösung durch den Bundespräsidenten nur zu, wenn sich für die Wahl des Bundeskanzlers nicht die von Art. 63 Abs. 2 Satz 1 GG geforderte Mehrheit findet oder wenn ein im Amt befindlicher Bundeskanzler nicht das Vertrauen im Sinne des Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG besitzt, das heißt nicht die ausreichende parlamentarische Unterstützung für seine Person oder sein Regierungsprogramm findet. Auch im Falle des Art. 63 Abs. 4 GG ist die Auflösung von einer Reihe von Voraussetzungen abhängig; der Bundespräsident darf den Bundestag nur dann auflösen, wenn die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages seinem Wahlvorschlag nicht gefolgt ist, innerhalb von 14 Tagen einen anderen Bundeskanzler nicht gewählt und in einem daraufhin stattfindenden Wahlgang der Gewählte nicht die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereinigt hat.
Art. 68 GG selbst wie sein Zusammenhang mit weiteren Vorschriften des VI. Abschnitts des Grundgesetzes belegen mithin, daß das Grundgesetz deutliche und hohe Hemmschwellen für eine Auflösung des Bundestages errichtet; ein freies Auflösungsrecht ist nicht vorgesehen.
Verfassungsgeschichtlich gesehen geht die Stoßrichtung des Art. 68 GG nicht in erster Linie gegen ein Selbstauflösungsrecht des Bundestages, sondern gegen das praktisch unbegrenzte Auflösungsrecht, das der Reichspräsident unter der Weimarer Verfassung mit Gegenzeichnung eines dazu willigen Reichskanzlers handhaben konnte und gehandhabt hat.
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c) Aus dem normativen Zusammenhang erschließt sich danach, daß die Auflösung des Bundestages auch über den Weg des Art. 68 GG stets eine politische Lage der Instabilität zwischen Bundeskanzler und Bundestag voraussetzt und als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal erfordert, daß der Bundeskanzler der stetigen parlamentarischen Unterstützung durch die Mehrheit des Bundestages nicht sicher sein kann. Im Falle des Art. 63 Abs. 4 GG wird der Bundestag unter der drohenden möglichen Auflösung herausgefordert, einen "Mehrheitskanzler" zu wählen; im Regelfall des Art. 68 GG wird er dazu angehalten, dem Bundeskanzler mehrheitlich parlamentarische Unterstützung zu gewähren. Die Vorschriften zielen mithin vorrangig darauf ab, Regierungsfähigkeit herzustellen, zu gewinnen oder zu erhalten - und zwar mit dem amtierenden Bundestag, und sei es auch über die Wahl eines anderen Bundeskanzlers. Erst wenn das Drohen der Auflösung ohne Wirkung bleibt, liegt die Auflösung - im Falle des Art. 68 GG nur auf Vorschlag des Bundeskanzlers - im Ermessen des Bundespräsidenten.
Eine Auslegung dahin, daß Art. 68 GG einem Bundeskanzler, dessen ausreichende Mehrheit im Bundestag außer Zweifel steht, gestattete, sich zum geeignet erscheinenden Zeitpunkt die Vertrauensfrage negativ beantworten zu lassen mit dem Ziel, die Auflösung des Bundestages zu betreiben, würde dem Sinn des Art. 68 GG nicht gerecht. Desgleichen rechtfertigen besondere Schwierigkeiten der in der laufenden Wahlperiode sich stellenden Aufgaben die Auflösung nicht. Daß Bundeskanzler, Bundesregierung und Bundestag sich von Verfassungs wegen solchen Aufgaben nach besten Kräften zu stellen haben, folgt aus ihrer Verpflichtung auf das Gemeinwohl, daraus, daß ihnen Staatsgewalt anvertraut ist, und letztlich aus dem Sinn von Staatlichkeit.

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Dementsprechend kann es für sich allein auch keine Rechtfertigung für die Auflösung des Bundestages abgeben, daß alle im Bundestag vertretenen politischen Parteien oder ihre Fraktionen sich in dem Willen zu Neuwahlen einig sind. Dies mag allenfalls belegen, daß ein konkreter Mißbrauch nicht gegeben ist; als Rechtfertigungsgrund für den Weg der Auflösung wäre eine solche Einigkeit allein unzureichend.

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Art. 68 GG indes fordert mehr: Der Bundeskanzler, der die Auflösung des Bundestages auf dem Weg des Art. 68 GG anstrebt, soll dieses Verfahren nur anstrengen dürfen, wenn es politisch für ihn nicht mehr gewährleistet ist, mit den im Bundestag bestehenden Kräfteverhältnissen weiter zu regieren. Die politischen Kräfteverhältnisse im Bundestag müssen seine Handlungsfähigkeit so beeinträchtigen oder lähmen, daß er eine vom stetigen Vertrauen der Mehrheit getragene Politik nicht sinnvoll zu verfolgen vermag. Dies ist ungeschriebenes sachliches Tatbestandsmerkmal des Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG; es muß erfüllt sein, damit ein Verfahren nach Art. 68 GG im Einzelfall verfassungsmäßig ist.

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Der Bundespräsident kann bei der Prüfung, ob der Antrag und der Vorschlag des Bundeskanzlers nach Art. 68 GG mit der Verfassung vereinbar sind, andere Maßstäbe nicht anlegen; er hat insoweit die Einschätzungs- und Beurteilungskompetenz des Bundeskanzlers zu beachten. Kommt der Bundeskanzler zu der Auffassung, daß seine politischen Gestaltungsmöglichkeiten bei den gegebenen politischen Kräfteverhältnissen im Rahmen des parlamentarischen Regierungssystems erschöpft sind, so kann der Bundespräsident nicht seine eigene Beurteilung der politischen Gegebenheiten an die Stelle der Auffassung des Bundeskanzlers setzen. Das Grundgesetz geht gerade im Verhältnis der obersten Verfassungsorgane zueinander von je eigenen, kompetenzrechtlich abgesteckten Verantwortungsbereichen dieser Organe aus, denen die Rechtsordnung in Form von Gestaltungs-, Beurteilungs- und Ermessensspielräumen Rechnung trägt. Muß mithin nach pflichtgemäßer Beurteilung des Bundespräsidenten eine andere, die Auflösung verwehrende Einschätzung der politischen Lage der Einschätzung des Bundeskanzlers nicht eindeutig vorgezogen werden, so hat der Bundespräsident - bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Vorgehens des Bundeskanzlers - die Beurteilung des Bundeskanzlers als mit dem Grundgesetz vereinbar hinzunehmen.
b) Unberührt hiervon bleibt, daß der Bundespräsident, nachdem er die Verfassungsmäßigkeit der vorangehenden Akte von Bundeskanzler und Bundestag bejaht hat, im Rahmen seines Ermessens die Lage selbständig und insoweit ohne Bindung an die Einschätzungen und Beurteilungen des Bundeskanzlers und ohne inhaltliche Bindung an die Abstimmung des Bundestages und den Auflösungsvorschlag des Bundeskanzlers zu beurteilen hat.


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Der Senat verkennt nicht, daß das Grundgesetz selbst in Art. 68 GG durch die Einräumung von Einschätzungs- und Beurteilungsspielräumen sowie von Ermessen zu politischen Leitentscheidungen an drei oberste Verfassungsorgane die verfassungsgerichtlichen Überprüfungsmöglichkeiten weiter zurückgenommen hat als in den Bereichen von Rechtsetzung und Normvollzug; das Grundgesetz vertraut insoweit in erster Linie auf das in Art. 68 GG selbst angelegte System der gegenseitigen politischen Kontrolle und des politischen Ausgleichs zwischen den beteiligten politischen Verfassungsorganen. Allein dort, wo verfassungsrechtliche Maßstäbe für politisches Verhalten normiert sind, kann das Bundesverfassungsgericht ihrer Verletzung entgegentreten.

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