6.000 EURO Schmerzensgeld für die Patientin statt Blockkrone und kein Honorar für den Zahnarzt verordnete das Landgericht München I einem Zahnarzt, dessen Behandlung als grob fehlerhaft bewertet wurde. Am 27.01.2000 empfahl der Zahnarzt seiner Patientin eine sogenannte Blockkrone für die gesamte obere Zahnreihe. Dieser Behandlung unterzog sich die Klägerin am 28.03.2000. Insgesamt mussten 14 Zähne, darunter sämtliche Oberkieferzähne, wurzelbehandelt und devitalisiert werden. Diese Prozedur dauerte etwa 12 Stunden von morgens 8.30 Uhr bis abends 20.30 Uhr. Die daran anschließende prothetische Behandlung schlug vollständig fehl, weshalb der Zahnarzt bereits vorprozessual an seine Patientin vom ursprünglich vereinbarten Behandlungshonorar in Höhe von rund 9.000,- DM einen Teilbetrag von rund 6.500,- DM zurückbezahlte.
Die enttäuschte Patientin verklagte den Zahnarzt auf weiteren Schadensersatz und Schmerzensgeld insbesondere wegen der Strapazen der Behandlung am 28.03.2000. Sie warf dem Arzt vor, er habe sie während der 12stündigen Prozedur zweimal aufgefordert, zur Kreislaufstabilisierung Cognac zu trinken. Die Wurzelbehandlung der Oberkieferzähne sei medizinisch nicht indiziert gewesen. Die vom Beklagten praktizierte Komplettverblockung sei ein grober Behandlungsfehler.
Der angegriffene Zahnarzt verteidigte sich vor Gericht damit, dass seine Patientin vor der Operation schriftlich auf Schmerzensgeldansprüche bzw. deren gerichtliche Durchsetzung verzichtet habe. Der Cognac sei auf ihren Wunsch zur Neutralisierung des ph-Werts verabreicht worden. Die Verblockung der Oberkieferzähne entspreche ebenso wie das Devitalisieren aller Zähne den Regeln der Zahnmedizin.
Die für Zahnarztsachen zuständige 10. Zivilkammer des Landgerichts München I gab der mitgenommenen Patientin Recht. Es verurteilte am 18.02.2005 den Zahnarzt zur Rückzahlung restlicher Behandlungskosten in Höhe von rund 1.000,- €, außerdem zu Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 6.000,- €.
Das Gericht stützte dieses Urteil auf die Ausführungen eines gerichtlich bestellten Sachverständigen, der nach einer gründlichen Untersuchung der Klägerin und Auswertung sämtlicher Unterlagen das Vorgehen des Zahnarztes als groben Behandlungsfehler wertete. Es bestehe keine Nachbesserungsmöglichkeit, da die Devitalisierung gesunder Zähne irreversibel sei. Die vom Zahnarzt vorgelegte Verzichtserklärung sei unwirksam und sittenwidrig. Die Klägerin habe diesen Verzicht auf Schmerzensgeldansprüche unmittelbar vor Beginn der Behandlung in einer Überrumpelungssituation unterschrieben. Sie habe ihre Brille schon abgelegt gehabt und den Inhalt der Erklärung nicht mehr richtig zur Kenntnis nehmen können. Ein Arzt dürfe außerdem nicht durch vollständige Haftungsfreizeichnung für alle Grade eines möglichen Verschul-dens den Patienten praktisch rechtlos stellen. Eine derartige Vereinbarung verlagere das Risiko eines ärztlichen Behandlungsfehlers in unangemessener Weise ausschließlich auf den Patienten und sei deshalb sittenwidrig.
Die 10. Zivilkammer hielt ein Schmerzensgeld von 6.000,- € wegen der strapaziösen Behandlung vom 28.03.2000 für gerechtfertigt. Es sei medizinisch nicht vertretbar, Wurzelbehandlungen an 14 Zähnen an einem Tag durchzuführen. Dies entspreche auch nach der Einschätzung des Sachverständigen wegen der außerordentlichen Belastung für den Gesamtorganismus nicht den Regeln ärztlicher Kunst, und zwar auch dann nicht, wenn der Patient es wünsche. Eine Wurzelbehandlung müsse im Übrigen stets ultima ratio des zahnärztlichen Handelns sein, was der Beklagte nicht beachtet habe. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigte das Gericht schließlich, dass der Zahnarzt seiner Patientin in einer Behandlungspause Cognac verabreicht hatte. Dies sei nicht in der Behandlungskartei dokumentiert und auch nicht medizinisch begründbar.
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