Donnerstag, 23. Juni 2005

Bundesverfassungsgericht: OLG Naumburg verkehrt Vorgaben des EUGH zum Umgangsrecht in ihr Gegenteil

Das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 10.06.2005 - 1 BvR 2790/04 -:
Das Oberlandesgericht hat die rechtlichen Bindungen grundlegend verkannt. Mit der angegriffenen Entscheidung hat es das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht nur nicht beachtet, sondern dessen Vorgaben in ihr Gegenteil verkehrt. Anstatt auf die Anordnung und Realisierung eines Umgangsrechts hinzuwirken, hat das Oberlandesgericht außerhalb seiner Zuständigkeit unter Verstoß gegen die Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) ein bereits (vom Amtsgericht) angeordnetes Umgangsrecht unterbunden und damit, ohne zur Entscheidung berufen zu sein, einen konventionsgemäßen Zustand aufgehoben.

Zwar wäre das Oberlandesgericht bei der rechtlichen Würdigung insbesondere neuer Tatsachen, der Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen und der Einordnung des Einzelfalls in den Gesamtzusammenhang familienrechtlicher Fälle mit Bezug zum Umgangsrecht im konkreten Ergebnis nicht gebunden gewesen (vgl. BVerfG, FamRZ 2004, S. 1857 <1863>). Dies kann aber nur bedeutsam werden, soweit das Gericht überhaupt eine Sachentscheidung treffen darf, was hier ersichtlich nicht der Fall war. Deshalb bedürfen die bereits im Beschluss vom 28. Dezember 2004 (vgl. BVerfG, FamRZ 2005, S. 173 <175>) angestellten Erwägungen, wonach sich das Oberlandesgericht auch nicht hinreichend mit den vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aufgeworfenen Fragen auseinander gesetzt hat, keiner weiteren Vertiefung. Es soll allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass namentlich die von den Pflegeeltern vorgetragenen, ihrer Auffassung nach gegen ein Umgangsrecht des Beschwerdeführers sprechenden Gründe eine Abweichung von der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht rechtfertigen. Dies gilt vor allem für den Vortrag, die zu erwartende Adoption stehe einem Umgang entgegen. Das von den Pflegeeltern bislang gezeigte Verhalten lässt vielmehr Zweifel aufkommen, ob die von ihnen gewünschte Adoption aus Kindeswohlgesichtspunkten überhaupt angezeigt wäre.
Anmerkung: Wieder einmal eine deutliche Ohrfeige des Bundesverfassungsgerichts.


Vgl. Pressemitteilung hier und

- Pressemitteilung Nr. 92/2004 vom 19. Oktober 2004
- Pressemitteilung Nr. 117/2004 vom 29. Dezember 2004
- Pressemitteilung Nr. 13/2005 vom 10. Februar 2005
- Pressemitteilung Nr. 34/2005 vom 20. April 2005

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