Mittwoch, 1. März 2006

Haftrichter muss auf Verteidiger warten

Eine Koblenzer Haftrichterin wollte keine Viertelsunde mit der Verkündung des Haftbefehls warten, bis der im Verkehr steckengebliebene Verteidiger, der die Richterin darüber informiert hatte, etwas später zu kommen, das Verhandlungszimmer erreichte.

Die Verfassungsbeschwerde war erfolgreich - aber nicht, wie gewollt, in dem Sinne, dass der Haftbefehl aufgehoben wurde, sondern lediglich wie folgt:


"Es wird einstweilen angeordnet, in dem Ermittlungsverfahren gegen A., z.Zt. in Unter¬suchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Koblenz, den Beschuldigten unverzüglich unter Teilnahme seines Verteidigers dem zuständigen Richter gemäß § 115 Abs. 1 StPO vorzuführen."


Aus der Begründung:

Gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 LV ist die Freiheit der Person unverletzlich. Eine Ent¬ziehung der persönlichen Freiheit durch die öffentliche Gewalt ist nur aufgrund von Gesetzen und nur in den von diesen vorgeschriebenen Formen zulässig (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 LV). Diese Regelung erhebt neben der Forderung nach einem "förmlichen" freiheitsbeschränkenden Gesetz auch die Pflicht zum Verfassungs¬gebot, dessen Formvorschriften zu beachten. Verstöße gegen die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 LV gewährleisteten Voraussetzungen und Formen freiheits¬beschränkender Gesetze stellen daher stets auch eine Verletzung der Freiheit der Person dar (vgl. BVerfGE 58, 208 [220]). Es spricht daher vieles dafür, dass das Recht eines Beschuldigten, im Rahmen seiner Vorführung vor dem zuständigen Richter gemäß § 115 Abs. 1 der Strafprozessordnung - StPO -, die zugleich seine erste richterliche Vernehmung gemäß § 136 Abs. 1 StPO darstellt, nach entsprechender Belehrung einen Verteidiger hinzuzuziehen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl. 2005, § 115 Rn. 8 und § 136 Rn. 10; BGH, NJW 1993, 338 [339]), zu den bedeutsamen Verfahrensgarantien gehört, deren Beachtung Art. 5 Abs. 1 Satz 2 LV fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht.


Weiter heißt es:

Gewichtige Gründe legen die Annahme nahe, dass die zuständige Richterin beim Amtsgericht Koblenz diese Verfahrensgarantie bei der Vorführung des Beschwerdeführers verletzt hat, indem sie ihm den Haftbefehl zum festgesetzten Termin in Abwesenheit seines Verteidigers ohne weiteres Zuwarten eröffnete, obwohl letzterer zuvor aufgrund seiner kurzfristigen Anreise aus Trier und schwieriger Witterungsverhältnisse eine viertelstündige Verspätung angekündigt hatte. Dieser Mangel ist - soweit ersichtlich - auch nicht in den nachfolgenden Verfahren der Beschwerde gemäß § 304 Abs. 1 StPO bzw. der weiteren Beschwerde gemäß § 310 Abs. 1 StPO geheilt worden. Die abschließende Beantwortung der damit verbundenen Fragen bleibt dem Verfassungsbeschwerdeverfahren vorbehalten.



im übrigen nur:

Einer Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Haftbefehls durch den Verfassungsgerichtshof bedarf es hierzu nicht. Es obliegt dem zuständigen Richter gemäß § 115 Abs. 1 StPO hierüber zu entscheiden.

VERFASSUNGSGERICHTSHOF RHEINLAND-PFALZ - VGH A 5/06 - Beschluss vom 22.02.2006.



Das Ergebnis erinnert an das Horneberger Schießen. Auslagenerstattung gibt es auch nicht. Allerdings hat der Beschluss hoffentlich Auswirkungen auf das Verhalten einiger Haftrichter. Ein allgemeines Problem scheint es nicht zu sein. Ich habe nur gute Erfahrungen gemacht.

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