Dienstag, 25. April 2006

Antwort des Strafrichters Koch an den Pressesprecher des Bischofs Huber

Sehr geehrter Herr V....,

ich hatte eigentlich gehofft, Bischof Huber würde sich selbst "herablassen", auf meine E-Mail zu antworten. Hoffentlich hat er den Text wenigstens persönlich gelesen und erst danach entschieden, mir durch Sie als den Pressesprecher der EKD eine Antwort zukommen zu lassen.

Diese Antwort enttäuscht - mich und viele Juristinnen und Juristen, die meine kritischen Anmerkungen unterstützend zur Kenntnis genommen hatten.

Ich habe jetzt nicht die Absicht, mit Ihnen eine Diskussion zu beginnen oder fortzuführen. Trotzdem einige wenige Anmerkungen:


1. Ein "Eindruck, der auch durch die Urteilsgründe nicht ausgeräumt ist", reicht Ihnen - und etwa auch dem Bischof Huber? - für eine öffentliche moralische Verurteilung der Freigesprochenen? Entschuldigung, aber da fehlen mir die Worte.

Das ist das Niveau des Mediums, dem Bischof Huber das Interview gegeben hat. Aber dass auch Sie so argumentieren, irritiert mich zumindest.


2. Unser Rechtssystem kennt keinen Freispruch "aus Mangel an Beweisen" im Gegensatz zu einem Freispruch "wegen erwiesener Unschuld" - und das ist gut so! Es wäre auch Aufgabe der Kirchen, dies zu vermitteln und nicht argumentativ zurückzufallen in Zeiten, die wir überwunden glaubten. Schlimm genug, wenn in Teilen der Öffentlichkeit noch immer der "Freispruch 2. Klasse" zu existieren scheint. Aber bei Ihnen? Und dass er dann sogar argumentativ herhalten muss für eine anschließende öffentliche Diffamierung wegen wenn schon nicht strafrechtlich fassbarer dann wenigstens "moralischer Schuld", macht schon mehr als nachdenklich. Ich hoffe, dass Sie und Bischof Huber in unserer gemeinsamen Kirche insoweit eine absolute Mindermeinung vertreten.

3. Ein Strafrechtssystem in einem demokratischen Staat muss auf individuelle Schuld ausgerichtet sein. Alles andere wäre ein Rückfall in längst vergangene Zeiten und Denkweisen.

Es gäbe noch manches zu sagen. Aber nachdem ich Ihre Antwort gelesen habe, fürchte ich, auf taube Ohren zu stoßen. Also lasse ich es damit gut sein - zumindest hier.

Die begonnene öffentliche Diskussion wird allerdings weitergehen.

Freundliche Grüße
Karsten Koch

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