Der Berliner Senat will entgegen ersten Äußerungen der Justizsenatorin Schubert dem Vorschlag zur Einrichtung von „Schülergerichten“ aus durchaus nachvollziehbaren Erwägungen derzeit nicht folgen.
In der Antwort auf die mündliche Anfrage des Abgeordneten Christoph Meyer (FDP) heißt es:
Zwar ist der Auffassung zuzustimmen, dass die an rechtlichen Themen orientierte Projektarbeit in Schulen ausgebaut werden muss, um Schülerinnen und Schülern Gelegenheit zu geben, aus eigener Anschauung wichtige Bereiche des Rechts – auch des Jugendstrafrechts – kennen und Verantwortung für andere Menschen übernehmen zu lernen.
Diesem Anliegen trägt der Senat jedoch bereits jetzt Rechnung. Die Landeskommission gegen Gewalt hat die Gründung von Jugendrechtshäusern in Berlin befürwortet und unterstützt. Sie hat sich insbesondere an der Entwicklung des „Rechtskundepakets“ beteiligt. Dieses leistet heute beispielsweise nicht nur Rechtsberatung und bietet nicht nur Seminare zum Thema „Gewalt und Gewaltprävention“ an, sondern führt unter Beteiligung von Vertretern der Gerichte und der Staatsanwaltschaft insbesondere auch Rechtskundeunterweisungen im Rahmen eines ein-wöchigen Projektes durch. Das Jugendrechtshaus Kreuzberg, das Zentrum des Jugendrechts Mitte sowie das Jugendrechtshaus im Kinder- und Jugendzentrum Lessing-höhe lassen dabei die Schüler ihren eigenen jugendstrafrechtlichen Fall entwickeln und die Projektbetreuer spielen diesen mit ihnen bis zum Urteil durch. Dadurch vermittelt das „Rechtskundepaket“ in bemerkenswerter Form Rechtskenntnisse und schafft so letztlich Rechtsbewusst-sein. Einer der zwei vergebenen ersten Plätze beim „Berliner Präventionspreis 2005“ ging denn auch an ein solches Projekt.
Die Einführung von sogenannten „Schülergerichten“ ist zwar eine bedenkenswerte Idee, die der Auseinandersetzung des Täters mit seiner Tat dienen kann, sie wirft jedoch auch Probleme auf.
Sowohl das Jugendgericht als auch die am Diversionsverfahren beteiligten Personen können aufgrund ihrer Ausbildung und ihrer beruflichen Erfahrungen die Persönlichkeit eines jugendlichen Straftäters wesentlich zuverlässiger einschätzen, als dies Mitschüler könnten. Der weiteren persönlichen Entwicklung des jugendlichen Täters ist zudem mehr gedient, wenn sein Tatverhalten nicht Gesprächsstoff in der Schule und damit in seinem unmittelbaren Umfeld wird.
Straftatauslösende Faktoren, wie beispielsweise familiäre Verhältnisse, können in der schulinternen Öffentlichkeit nicht diskutiert werden, da hier auch Belange Dritter berührt werden.
Die behauptete „Lücke zwischen dem Mittel der Verfahrenseinstellung ohne Auflagen und den ‚üblichen‘ Maßnahmen, wie Sozialstunden“, ist in Berlin spätestens seit April 1999 mit dem Beginn des Probelaufs der Diversionsrichtlinie geschlossen worden.
Die Fallzahlen der vor Schülergerichten verhandelten Straftaten wären derart gering, dass sich die ausweislich der Antragsbegründung damit verbindende Erwartung einer „frühzeitigen Verhinderung des Eintritts Jugendlicher in eine kriminelle Karriere“, die eine gewisse Breitenwirkung voraussetzt, gar nicht erfüllen könnte.
Wirksamkeit und Nutzen der Zwischenschaltung einer von der Staatsanwaltschaft geführten weiteren „Instanz“ drängen sich auch schon deshalb nicht auf, da hierdurch der zeitliche Abstand zwischen Tat und richterlicher Entscheidung zwangsläufig gegenüber der sofortigen Anordnung der Maßnahme nach § 45 Abs. 2 JGG verlängert wird.
Berlin, den 11. April 2006 Karin Schubert, Senatorin für Justiz
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