Montag, 29. Mai 2006

Neuer Führerschein im EU-Ausland muss anerkannt werden

Die dritte Kammer des Europäischen Gerichtshofs hat am 06.04.2006 (C‑227/05) mit weit reichender Wirkung beschlossen:

1. Artikel 1 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 8 Absätze 2 und 4 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein in der Fassung der Richtlinie 97/26/EG des Rates vom 2. Juni 1997 verwehrt es einem Mitgliedstaat, das Recht zum Führen eines Kraftfahrzeugs aufgrund eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins und damit dessen Gültigkeit in seinem Hoheitsgebiet deshalb nicht anzuerkennen, weil sich sein Inhaber, dem in dem erstgenannten Staat eine vorher erteilte Fahrerlaubnis entzogen worden war, nicht der nach den Rechtsvorschriften dieses Staates für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis nach dem genannten Entzug erforderlichen Fahreignungsprüfung unterzogen hat, wenn die mit diesem Entzug verbundene Sperrfrist für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis abgelaufen war, als der Führerschein in dem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wurde.

2. Artikel 1 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 8 Absätze 2 und 4 der Richtlinie 91/439 in der Fassung der Richtlinie 97/26 verwehrt es einem Mitgliedstaat, bei dem die Umschreibung eines in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen gültigen Führerscheins in einen nationalen Führerschein beantragt wird, unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, diese Umschreibung davon abhängig zu machen, dass eine erneute Untersuchung der Fahreignung des Antragstellers vorgenommen wird, die nach dem Recht des erstgenannten Mitgliedstaats zur Ausräumung entsprechender Zweifel aufgrund von Umständen erforderlich ist, die vor dem Erwerb des Führerscheins in dem anderen Mitgliedstaat bestanden.


Im Laufe der 90er-Jahre wurde Herr H. wegen Verstößen gegen betäubungsrechtliche Vorschriften zu Haftstrafen verurteilt. Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Ansbach – Schöffengericht – vom 13. Juni 1996 wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen und für eine „Sperrfrist“ von 18 Monaten, die am 20. Dezember 1997 ablief, der Erwerb einer neuen Fahrerlaubnis untersagt.

Anschließend verlegte Herr H. aus beruflichen Gründen seinen Wohnsitz nach Österreich. Am 18. Juni 2002 erhielt er, nachdem er sich in diesem Mitgliedstaat einer medizinischen und einer psychologischen Begutachtung zum Nachweis seiner Fahreignung unterzogen hatte, einen österreichischen Führerschein für die Klassen A und B.

Im Juli 2003 beantragte Herr H., der nunmehr wieder in Deutschland wohnte, beim Landratsamt München als Fahrerlaubnisbehörde des Freistaats Bayern die Umschreibung seiner österreichischen Fahrerlaubnis in eine deutsche. Sein Antrag wurde dahin aufgefasst, dass nach § 28 Absatz 5 FeV das Recht begehrt werde, von der österreichischen Fahrerlaubnis im deutschen Hoheitsgebiet Gebrauch zu machen. Das Landratsamt München vertrat den Standpunkt, dass der österreichische Führerschein von Herrn Halbritter nach § 28 Absatz 4 Nummer 3 FeV in Deutschland nicht anerkannt werden könne, da ihm in diesem Mitgliedstaat die Fahrerlaubnis entzogen worden sei. Im Laufe des Verwaltungsverfahrens forderte es unter Verweis auf u. a. § 11 Absätze 2 und 3 Nummer 5 Buchstabe b FeV von Herrn Halbritter die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, das seine Fahreignung belege.

Die zuständigen österreichischen Behörden legten dem Landratsamt München am 9. September 2003 eine am 3. April 2002 vom Kuratorium für Verkehrssicherheit Tirol erstellte medizinisch-psychologische Stellungnahme vor, in der bescheinigt wurde, dass Herr Halbritter aus psychologischer Sicht zum Lenken von Kraftfahrzeugen geeignet sei.

Mit Bescheid von 16. Oktober 2003 lehnte das Landratsamt München den Antrag von Herrn Halbritter mit der Begründung ab, dass die seit dem Entzug seiner deutschen Fahrerlaubnis bestehenden Zweifel an seiner Fahreignung nur durch ein nach den in Deutschland geltenden Normen erstelltes und positiv ausgefallenes medizinisch-psychologisches Gutachten ausgeräumt werden könnten. Die zuständigen Stellen waren aus verschiedenen Gründen der Auffassung, dass die österreichische Stellungnahme keinem den nationalen Normen entsprechenden Gutachten gleichkomme.

Diese Argumentation verstößt gegen europäisches Recht.

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