Samstag, 18. November 2006

Befangener Vorsitzender bei dem Landgericht Mainz

Eine informative Pressemeldung des Landgerichts Mainz lässt vermuten, dass wieder einmal die Einstellung eines Strafverfahrens wegen überlanger Verfahrensdauer ins Haus steht:

Die im November 2005 begonnene Hauptverhandlung gegen einen zwischenzeitlich 65-jährigen Mediziner wurde heute von der 1. Strafkammer des Landgerichts Mainz abgesetzt. Dem Angeklagten wurde zur Last gelegt, ärztlichen Abrechungsbetrug in einer Vielzahl von Fällen begangen zu haben. Das Verfahren gegen eine Mitangeklagte war bereits vor einigen Wochen abgetrennt und wegen überlanger Verfahrensdauer durch Urteil eingestellt worden. Der Vorsitzende machte im Zusammenhang mit der mündlichen Urteilsbegründung allgemeine Ausführungen zur Abrechnungspraxis im Gesundheitswesen. Dies nahm der Angeklagte zum Anlass, den Kammervorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.

Das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes ist grundsätzlich vom Standpunkt eines verständigen Angeklagten zu beurteilen. Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters kann dann gerechtfertigt sein, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine Haltung ein, die dessen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann, unabhängig davon, ob der Richter tatsächlich parteiisch oder befangen ist.

Nach eingehender Beratung hat die zur Entscheidung berufene Kammer dem Ablehnungsantrag stattgegeben. Ihrer Einschätzung nach waren die beanstandeten Äußerungen des Vorsitzenden geeignet, bei dem Angeklagten den Eindruck der Voreingenommenheit aufkommen zu lassen. Der Angeklagte habe zusammen mit der früheren Mitangeklagten eine Gemeinschaftspraxis betrieben und die gegen ihn erhobenen Vorwürfe seien mit denen im abgetrennten Verfahren weitgehend identisch.

Die im abgetrennten Verfahren abgegebenen Erklärungen des Vorsitzenden habe der Angeklagte als Beanstandung auch seiner Berufsausübung auffassen dürfen.

Hierdurch sei jedenfalls der Eindruck der Voreingenommenheit erweckt worden.

(Landgericht Mainz - Richter am Landgericht Jens Wilhelmi - Pressestelle - Diether-von-Isenburg-Straße, 55116 Mainz)

Nähere Informationen hier.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Zur weiteren Information:

Staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren liefen seit 1991.
Die erste Hauptverhandlung, der Vorwürfe für Taten zwischen 1996-2001 zugrundeliegen, wurde im Oktober 2006 wegen falscher Besetzung abgesetzt:

http://www.allgemeine-zeitung.de/region/objekt.php3?artikel_id=2113749

Mal schauen, ob da noch was kommt.

Lichtenrader Notizen von Rolf Jürgen Franke hat gesagt…

Danke für den link, den ich in die Meldung eingesetzt habe.