Mittwoch, 31. Januar 2007

Bundesverfassungsgericht: Erbschaftssteuerrecht zur Zeit teilweise verfassungswidrig

Die durch § 19 Abs. 1 ErbStG angeordnete Erhebung der Erbschaftsteuer mit einheitlichen Steuersätzen auf den Wert des Erwerbs ist mit dem Grundgesetz unvereinbar. Denn sie knüpft an Werte an, deren Ermittlung bei wesentlichen Gruppen von Vermögensgegenständen (Betriebsvermögen,Grundvermögen, Anteilen an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben) den Anforderungen des Gleichheitssatzes nicht genügt. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, spätestens bis zum 31.Dezember 2008 eine Neuregelung zu treffen. Bis zu der Neuregelung ist das bisherige Recht weiter anwendbar. Dies entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Beschluss vom 7. November 2006 (Tag der Beschlussfassung des Senats, nicht der Abfassung der schriftlichen Gründe).

Rechtlicher Hintergrund:

In § 19 Abs. 1 ErbStG ist unabhängig davon, aus welchen Vermögensarten
sich Nachlass oder Schenkung zusammensetzen, für alle steuerpflichtigen
Erwerbe einheitlich ein nach dem Wert des Erwerbs progressiver, in drei
nach Verwandtschaftsgraden abgestuften Steuerklassen unterteilter
Prozentsatz des Erwerbs als der Steuertarif bestimmt. Um mittels dieses
Tarifs zu einem in Geld zu entrichtenden Steuerbetrag zu gelangen,
müssen die dem steuerpflichtigen Erwerb unterfallenden
Vermögensgegenstände in einem Geldbetrag ausgewiesen werden. Bei nicht
als Geldsumme vorliegenden Steuerobjekten ist deshalb die Umrechnung in
einen Geldwert mittels einer Bewertungsmethode erforderlich, um eine
Bemessungsgrundlage für die Steuerschuld zu erhalten. Das
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz bestimmt, dass sich die
Bewertung nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes (BewG) richtet.
Die Werte der einzelnen Vermögensgegenstände werden danach nicht
einheitlich, sondern auf unterschiedliche Art und Weise ermittelt. Das
Gesetz nennt als Regelfall den gemeinen Wert, also den Verkehrswert. Bei
der Bewertung inländischen Grundbesitzes kommt in wichtigen
Teilbereichen ein Ertragswertverfahren zur Ermittlung des
Grundbesitzwerts zur Anwendung. Der Wert des Betriebsteils von land- und
forstwirtschaftlichem Vermögen bemisst sich nach seinem Ertragswert.
Darüber hinaus bedient sich das Erbschaftsteuerrecht bei der Bewertung
von Betriebsvermögen des Steuerbilanzwerts.

Die Vorlage durch den Bundesfinanzhof betrifft die Frage, ob die
Anwendung des einheitlichen Steuertarifs gemäß § 19 Abs. 1 ErbStG auf
alle Erwerbsvorgänge wegen gleichheitswidriger Ausgestaltung der
Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage bei den unterschiedlichen
Vermögensarten verfassungswidrig ist.

Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts liegen im Wesentlichen
folgende Erwägungen zugrunde:

I. Dem geltenden Erbschaftsteuerrecht liegt die Belastungsentscheidung
des Gesetzgebers zugrunde, den beim jeweiligen Empfänger mit dem
Erbfall oder der Schenkung anfallenden Vermögenszuwachs zu
besteuern. Diese Belastungsentscheidung hat mit Blick auf den
Gleichheitssatz Auswirkungen auf die Bewertung des anfallenden
Vermögens als den ersten Schritt bei der Ermittlung der
erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage. Die gleichmäßige
Belastung der Steuerpflichtigen hängt davon ab, dass für die
einzelnen zu einer Erbschaft gehörenden wirtschaftlichen Einheiten
und Wirtschaftsgüter Bemessungsgrundlagen gefunden werden, die
deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbilden. Eine
diesem Gebot genügende Erbschafts- und Schenkungsbesteuerung ist
nur dann gewährleistet, wenn sich das Gesetz auf der
Bewertungsebene einheitlich am gemeinen Wert als dem maßgeblichen
Bewertungsziel orientiert. Nur dieser bildet den durch den
Substanzerwerb vermittelten Zuwachs an Leistungsfähigkeit
zutreffend ab und ermöglicht eine gleichheitsgerechte Ausgestaltung
der Belastungsentscheidung. In der Wahl der Wertermittlungsmethode
ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei. Die Bewertungsmethoden
müssen aber gewährleisten, dass alle Vermögensgegenstände in einem
Annäherungswert an den gemeinen Wert erfasst werden. Stellt der
Gesetzgeber schon bei der Bewertung auf andere Bewertungsmaßstäbe
ab, so löst er sich von seiner Belastungsgrundentscheidung und legt
damit strukturell Brüche und Wertungswidersprüche des gesamten
Regelungssystems an.

Bei den weiteren, sich an die Bewertung anschließenden Schritten
zur Bestimmung der Steuerbelastung darf der Gesetzgeber auf den so
ermittelten Wert der Bereicherung aufbauen und Lenkungszwecke, etwa
in Form zielgenauer und normenklarer steuerlicher
Verschonungsregelungen, ausgestalten. Die Bewertungsebene dagegen
ist aus verfassungsrechtlichen Gründen bereits vom Ansatz her
ungeeignet zur Verfolgung außerfiskalischer Förderungs- und
Lenkungsziele im Erbschaftsteuerrecht.

II. Das geltende Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht genügt diesen
verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht. Die erbschaftsteuerlichen
Bewertungsvorschriften führen bei wesentlichen Gruppen von
Vermögensgegenständen nicht zu dem gemeinen Wert angenäherten
Steuerwerten. Sie sind nicht ausreichend belastungsgleich und
folgerichtig ausgestaltet.

1. Beim Betriebsvermögen verhindert die weitgehende Übernahme der
Steuerbilanzwerte strukturell die Annäherung an den gemeinen
Wert. Dies führt zu Besteuerungsergebnissen, die mit dem
Gleichheitssatz nicht vereinbar sind:

Nach der gesetzlichen Regelung (§ 109 Abs. 1 BewG) werden die
zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter mit ihrem
Steuerbilanzwert angesetzt. Dieser stimmt aber nur in
Ausnahmefällen mit dem jeweiligen Verkehrswert des
Wirtschaftsguts (Teilwert) überein. So können durch
bilanzpolitische Maßnahmen wie zum Beispiel die Wahl von
degressiver oder linearer Abschreibung, Sofortabschreibungen
oder erhöhten Absetzungen und Sonderabschreibungen sowie auch
durch spätere Wertsteigerungen so genannte stille Reserven –
also vereinfacht ausgedrückt Differenzen zwischen dem
Verkehrswert eines Wirtschaftsguts und seinem niedrigeren
Buchwert – gebildet werden, die bei der Bewertung des
Betriebsvermögens nicht berücksichtigt werden. Zudem fließen
immaterielle Wirtschaftsgüter wie etwa der Geschäfts- oder
Firmenwert eines Unternehmens in die erbschaftsteuerliche
Bewertung nicht ein. Das hat regelmäßig zur Folge, dass der
Steuerwert gerade von ertragstarken Unternehmen weit hinter dem
gemeinen Wert zurückbleibt, weil der den Wert bestimmende Faktor
des Ertrags keine Berücksichtigung findet. Die Übernahme der
Steuerbilanzwerte bewirkt mithin für Betriebsvermögen mit hoher
Wahrscheinlichkeit – wenn auch nicht stets – einen deutlich
unter dem gemeinen Wert liegenden Steuerwert.

Darüber hinaus bewirkt die durch den Steuerbilanzwertansatz
erzielte Begünstigungswirkung keine zielgerichtete und
gleichmäßig wirkende Steuerentlastung, sondern tritt völlig
ungleichmäßig und damit willkürlich ein. Durch den
Steuerbilanzwertansatz ist die erbschaftsteuerliche
Bemessungsgrundlage davon abhängig, ob und in welchem Umfang der
Erblasser oder Schenker bilanzpolitische Maßnahmen ergriffen
hat. Die vielfältigen Möglichkeiten, über die Bilanzpolitik
Einfluss auf den erbschaftsteuerlichen Wertansatz zu nehmen,
eröffnen sich den Inhabern von Betriebsvermögen in stark
differierendem Ausmaß. Die Regelung kommt den Erwerbern von
Betriebsvermögen folglich in ganz unterschiedlichem Umfang
zugute.

Zudem fehlt es der Regelung mit Blick auf die vom Gesetzgeber
genannten Lenkungsziele an einer ausreichend zielgerichteten
Ausgestaltung. Mit der Übernahme der Steuerbilanzwerte wollte
der Gesetzgeber insbesondere mittelständische
Personenunternehmen von der Erbschaft- und Schenkungsteuer
entlasten. Tendenziell wird aber gerade der Übergang des
Betriebsvermögens von solchen Unternehmen gefördert, die der
Entlastung am wenigsten bedürfen. Denn begünstigt wird besonders
der Erwerb ertragstarker Unternehmen, bei denen Entnahmen zur
Begleichung der Erbschaftsteuerschuld am ehesten möglich sein
dürften. Das Fehlen eines Nachversteuerungsvorbehalts führt
zusätzlich dazu, dass auch Erwerber eines Betriebsvermögens in
den Genuss der Steuerbegünstigung kommen, die eine Fortführung
des Unternehmens nicht beabsichtigen.

2. Auch beim Grundvermögen genügt die erbschaftsteuerliche
Ermittlung der Bemessungsgrundlage schon auf der Bewertungsebene
nicht den Anforderungen des Gleichheitssatzes und führt deshalb
zu Besteuerungsergebnissen, die mit dem Gleichheitssatz nicht zu
vereinbaren sind.

a) Bei bebauten Grundstücken wird durch das gesetzlich
angeordnete (§ 146 Abs. 2 Satz 1 BewG) vereinfachte
Ertragswertverfahren mit einem starren
Einheitsvervielfältiger von 12,5 eine Bewertung mit dem
gemeinen Wert regelmäßig verfehlt. Mit dem vereinfachten
Ertragswertverfahren wollte der Gesetzgeber ausweislich der
Gesetzesmaterialien eine Bewertung mit durchschnittlich ca.
50 % des Kaufpreises – also des gemeinen Werts – erreichen
und durch diese niedrige Erbschaftsbesteuerung
Investitionsanreize für Grundvermögen schaffen sowie die Bau-
und Wohnungswirtschaft positiv beeinflussen. Dieser
gesetzgeberische Versuch einer steuerlichen Lenkung auf der
Bewertungsebene steht aber in unauflösbarem Widerspruch zu
den aus dem Gleichheitssatz folgenden verfassungsrechtlichen
Vorgaben. Die Bewertungsmethode führt im rechnerischen
Durchschnitt nicht nur zu Grundbesitzwerten, die etwa 50 %
des gemeinen Werts erreichen, so dass eine Annäherung an den
gemeinen Wert nicht erfolgt. Vielmehr differieren die
Einzelergebnisse auch in erheblicher Anzahl zwischen weniger
als 20 % und über 100 % des gemeinen Werts. Es ist
offensichtlich, dass ein einheitlicher Vervielfältiger für
bebaute Grundstücke ohne Berücksichtigung der Grundstücksart
und der Lage zu erheblichen Bewertungsunterschieden im
Verhältnis zum gemeinen Wert führen muss und der Bewertung
daher Zufälliges und Willkürliches anhaftet.

Keiner abschließenden Prüfung und Entscheidung bedarf deshalb
die Frage, ob der Gesetzgeber das auf der Bewertungsebene
verfolgte Ziel, den Erwerb bebauter Grundstücke nur auf der
Basis hälftiger Verkehrswerte mit Erbschaftsteuer zu
belasten, verfassungsrechtlich zulässig auf der zweiten Ebene
der Bemessungsgrundlagenermittlung – etwa im Wege einer
eindeutigen Verschonungsbestimmung, nach der bebaute
Grundstücke nur mit 50 % ihres gemeinen Werts zum Ansatz
kommen – hätte erreichen können. Mit den Belangen der Bau-
und insbesondere Wohnungswirtschaft hat der Gesetzgeber
gewichtige Gemeinwohlgründe angeführt, die grundsätzlich
geeignet erscheinen, Verschonungsnormen zu rechtfertigen, die
den Erwerb von Grundvermögen aufgrund Erbschaft oder
Schenkung steuerlich begünstigen. Die Frage, in welchem
Umfang eine auf sie gestützte Entlastung verfassungsrechtlich
zulässig wäre, kann aber hier offen bleiben.

b) Die in § 148 BewG – seiner bis zum 31. Dezember 2006
geltenden Fassung – geregelte Bewertung von Erbbaurechten und
mit Erbbaurechten belasteten Grundstücken ist ebenfalls mit
dem Erfordernis einer Bewertung, die die Wertverhältnisse in
ihrer Relation realitätsgerecht abbildet, nicht vereinbar.
Der Grundbesitzwert des belasteten Grundstücks wird
schematisch starr durch einheitliche Vervielfältigung des
nach den vertraglichen Bestimmungen im Besteuerungszeitpunkt
zu entrichtenden jährlichen Erbbauzinses mit dem Faktor 18,6
bestimmt, ohne dass die Restlaufzeit des Erbbaurechts oder
das Fehlen einer Heimfallentschädigung berücksichtigt oder
die Höhe des Erbbauzinses hinterfragt werden. Das führt dazu,
dass in einer Vielzahl von Fällen sowohl bei der Bewertung
des Grundstücks als auch der des Erbbaurechts teils zugunsten
des Erwerbers, teils zu seinen Lasten erheblich vom gemeinen
Wert abgewichen wird. Zu dieser Erkenntnis ist auch der
Gesetzgeber gelangt. Denn im Entwurf für das
Jahressteuergesetz 2007 wird ausgeführt, die jetzige Regelung
führe insbesondere bei kurzen Restlaufzeiten zu nicht
vertretbaren Bewertungsergebnissen.

c) Schließlich entspricht auch die Wertermittlung für unbebaute
Grundstücke (§ 145 BewG) der Anforderung, die
Wertverhältnisse in ihrer Relation realitätsgerecht
abzubilden, jedenfalls inzwischen nicht mehr. Grund hierfür
ist die gesetzlich angeordnete, bis Ende 2006 geltende
Festschreibung der Wertverhältnisse auf den 1. Januar 1996.
Die Preisentwicklung auf dem Grundstücksmarkt führt dazu,
dass die vergangenheitsbezogenen Werte sowohl die
Wertverhältnisse innerhalb der Gruppe der unbebauten
Grundstücke nicht mehr in ihrer Relation realitätsgerecht
abbilden als auch nicht mehr den Gegenwartswerten anderer
Vermögensgegenstände entsprechen. Damit führt die
Wertbemessung nach dem bis zum 31. Dezember 2006 geltenden
Recht zu verfassungswidrigen Besteuerungsergebnissen.

3. Auch die Erbschaftsbesteuerung der Erwerber von Anteilen an
Kapitalgesellschaften ist in nicht mit dem Gleichheitssatz
vereinbarer Weise ausgestaltet. Bei den zu schätzenden, nicht
börsennotierten Anteilen führt der vom Gesetzgeber angeordnete
Steuerbilanzwertansatz zu Steuerwerten, die im Regelfall
deutlich hinter der Teilbewertung zurückbleiben. Zwar sind nach
den gesetzlichen Vorgaben – anders als beim Betriebsvermögen –
die Ertragsaussichten des Unternehmens zu berücksichtigen.
Gleichwohl werden durch den vom Gesetzgeber angeordneten
Steuerbilanzwertansatz auch für die zu schätzenden Anteile an
Kapitalgesellschaften Steuerwerte erzielt, die im Durchschnitt
deutlich unter dem gemeinen Wert liegen. Darüber hinaus wirkt
sich die Übernahme der Steuerbilanzwerte – wiederum parallel zum
Betriebsvermögen – für die Anteile an Kapitalgesellschaften in
ganz unterschiedlicher Weise aus. Die Gesellschaften sind in
höchst unterschiedlichem Maße in der Lage, von den
Bilanzierungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen. Das bewirkt
zwingend eine große Streubreite der Steuerwerte im Verhältnis zu
den Verkehrswerten. Darüber hinaus führt die für die zu
schätzenden Anteile an Kapitalgesellschaften angeordnete
Übernahme der Steuerbilanzwerte auch zu einer großen Kluft
gegenüber den übrigen Anteilen an Kapitalgesellschaften, deren
Bewertung anhand des Kurswerts beziehungsweise aus zeitnahen
Verkäufen abgeleitet erfolgt und darum im Regelfall zu deutlich
höheren Werten führt.

4. Schließlich verstößt auch die Bewertung von land- und
forstwirtschaftlichem Vermögen gegen die aus dem Gleichheitssatz
folgenden Anforderungen und führt deshalb zu
Besteuerungsergebnissen, die mit dem Gleichheitssatz nicht zu
vereinbaren sind. Für den Betriebsteil ist der Ertragswert als
Bewertungsziel vorgegeben. Damit wird bereits strukturell eine
Erfassung der im Vermögenszuwachs liegenden Steigerung der
Leistungsfähigkeit des Erben oder Beschenkten verfehlt, die sich
aufgrund der der Erbschaftsteuer zugrunde liegenden
gesetzgeberischen Konzeption gerade nach dem bei einer
Veräußerung unter objektivierten Bedingungen erzielbaren Preis,
nicht aber allein nach dem vermittels der Vermögenssubstanz
erzielbaren Ertrag bemisst. Die Bewertung von Wohnteil und
Betriebswohnungen orientiert sich am gemeinen Wert als
Wertkategorie. Insoweit gilt das zum Grundvermögen Gesagte
entsprechend. Die dort festgestellten verfassungsrechtlichen
Mängel führen auch hier schon auf der Bewertungsebene zu
Verstößen gegen den Gleichheitssatz.

III. Trotz Unvereinbarkeitserklärung mit dem Gleichheitssatz ist es im
vorliegenden Fall geboten, ausnahmsweise die weitere Anwendung des
geltenden Erbschaftsteuerrechts bis zur gesetzlichen Neuregelung
zuzulassen. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine Neuregelung
spätestens bis zum 31. Dezember 2008 zu treffen. Dabei ist er
verfassungsrechtlich gehalten, sich auf der Bewertungsebene
einheitlich am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel zu
orientieren. Dem Gesetzgeber ist es unbenommen, bei Vorliegen
ausreichender Gemeinwohlgründe in einem zweiten Schritt der
Bemessungsgrundlagenermittlung mittels Verschonungsregelungen den
Erwerb bestimmter Vermögensgegenstände zu begünstigen. Die
Begünstigungswirkungen müssen ausreichend zielgenau und innerhalb
des Begünstigtenkreises möglichst gleichmäßig eintreten.
Schließlich kann der Gesetzgeber auch mittels Differenzierungen
beim Steuersatz eine steuerliche Lenkung verfolgen.

Pressemeldung des Bundesverfassungsgerichts vom 31.01.2007

Samstag, 20. Januar 2007

Nebentätigkeiten von Richtern und Richterinnen in Berlin

Im Land Berlin sind den Richterinnen und Richtern 329 Nebentätigkeitsgenehmigungen erteilt worden. Von den insgesamt 329 erteilten Genehmigungen betreffen 174 Genehmigungen fortlaufend wahrgenommene Nebentätigkeiten.

Es wurden für folgende Tätigkeiten Nebentätigkeitsgenehmigungen erteilt:

  • Fortbildungstätigkeit
  • Lehrtätigkeit
  • Prüfertätigkeit und Referendarausbildung
  • Schiedsrichterliche Tätigkeit
  • Gutachtertätigkeit

112 mal wurden Einnahmen bis 2.000,00 EUR erzielt,

2 mal Einkünfte von 2.000,00 bis 5.000,00 EUR

und 14 mal Einkünfte über 5.000,00 EUR.

Im Übrigen liegen keine Erkenntnisse vor.

In den letzten Jahren wurden keine Nebentätigkeiten versagt, weil die Ausübung des Hauptamtes zu leiden drohte oder bereits litt.

(Antwort vom 05.01.2007 der Berliner Justizsenatorin Gisela von der Aue auf eine kleine Anfrage im Berliner Abgeordnetenhaus)

Freitag, 19. Januar 2007

Regelsatzfestsetzungsverordnung Berlin vom 09.01.2007

Die Verordnung der Regelsätze nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch sieht in Berlin ab 01.01.2007 folgende monatliche Sätze vor:

  1. Haushaltsvorstand und Alleinstehende: 345 Euro
  2. Haushaltsangehörige bis 14 Jahren (ohne Ehegatten bzw. Lebenspartner) 207 Euro
  3. Haushaltsangehörige ab 14 Jahren (ohne Ehegatten bzw. Lebenspartner) 276 Euro
  4. Ehegatten oder Lebenspartner: 311 Euro
Quelle: Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin vom 18.01.2007, Nr. 1 2007

Erbschaftsteuerentscheidung des BVerG am 31.01.2007

Die Entscheidung des Ersten Senats des
Bundesverfassungsgerichts im Verfahren
„Erbschaftsteuer“ (1 BvL 10/02) wird
am 31. Januar 2007 um 9.00 Uhr auf der
Homepage des Bundesverfassungsgerichts
(www.bundesverfassungsgericht.de)
zusammen mit einer Pressemitteilung
veröffentlicht.

Freitag, 5. Januar 2007

73. bayerisches Amtsgericht wird vielleicht das Amtsgericht Sonthofen

Die Zweigstelle des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) in Sonthofen mit eigenem Grundbuchamt wird möglicherweise bald ein eigenständiges Amtsgericht. Einzelheiten hier.

Hund mit Diabetes keine außergewöhnliche Belastung

Pressemeldung: Behandlungskosten für einen an Diabetes erkrankten Hund keine außergewöhnliche Belastung

Mit Urteil zur Einkommensteuer 2005 vom 5. Dezember 2006 (Az.: 6 K 2079/06) hat sich das Finanzgericht – FG – Rheinland-Pfalz zu der Frage geäußert, ob die tierärztliche Behandlung eines an Diabetes erkranken Hundes zu steuerlich berücksichtigungsfähigen außergewöhnlichen Belastungen führen kann.



Die Klägerin leidet seit längerer Zeit an einer Erkrankung der Wirbelsäule und beider Knie; ihr Grad der Behinderung beträgt 30%. In der Einkommensteuererklärung für 2005 machte die Klägerin außergewöhnliche Belastungen von insgesamt 5.082 € geltend. In diesem Betrag sind Aufwendungen in Höhe von 2.807 € für die tierärztliche Behandlung des Hundes der Klägerin enthalten. Das wurde damit erläutert, dass wegen der Erkrankung der Klägerin eine Bewegungstherapie aus medizinischer Sicht notwendig gewesen sei. Deswegen habe der behandelnde Arzt die Anschaffung eines Hundes angeraten. Diese Anschaffung und der therapeutische Einsatz des Hundes seien der Anschaffung eines Hilfsmittels und dessen Verwendung gleichzusetzen. Die tierärztliche Behandlung sei auf die Zuckererkrankung des neunjährigen Hundes zurückzuführen. Im Falle des Todes des Hundes müsse bei der Klägerin mit einer erheblichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes gerechnet werden.



Nachdem das Finanzamt die Tierarztkosten nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt hatte und auch das Einspruchsverfahren erfolglos geblieben war, erhob die Klägerin Klage vor dem FG Rheinland-Pfalz. Ihre Klage begründete sie u. a. damit, der Arzt habe die Anschaffung eines Hundes empfohlen, da ihre physischen Probleme großenteils psychischer Natur seien. Mit dem Bewegungsdrang des Hundes könnten ihre physischen Probleme gelindert und durch die permanente Verbundenheit mit der Bezugsperson könnte auch ihre psychische Belastung abgebaut werden. Tatsächlich habe sich der Gesundheitszustand in der Folgezeit dadurch gebessert, dass sie täglich etwa 10 km mit dem Hund gelaufen sei. So könne sie nun wieder einer Arbeit nachgehen, was ohne den Hund nicht möglich gewesen wäre. Ein vorheriges amtsärztliches Attest für die therapeutische Notwendigkeit des Hundes sei nicht eingeholt worden, weil nicht beabsichtigt gewesen sei, die Unterhaltskosten für den Hund steuerlich geltend zu machen, die Erkrankung des Hundes sei nicht vorhersehbar gewesen.

Die Klage hatte jedoch keinen Erfolg.



Das FG Rheinland-Pfalz führte u. a. aus, nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH - könne im Streitfall die Anschaffung des Hundes nur dann als aus Gründen der Krankheit der Klägerin als zwangsläufig angesehen werden, wenn deren Notwendigkeit durch ein vor dem Kauf des Hundes eingeholtes amtsärztliches Attest nachgewiesen werde. Dies sei jedoch nicht geschehen. Auch unter Beachtung der von der Klägerin vorgetragenen Gründe für das Unterlassen der Einholung eines amtsärztlichen Attestes für die therapeutische Notwendigkeit der Haltung eines Hundes könne im Streitfall aus Gründen der Gleichbehandlung gegenüber anderen nicht schulmedizinisch anerkannten therapeutischen Maßnahmen auf die Vorlage eines amtsärztlichen Attestes nicht verzichtet werden. Es könne dahin stehen, ob wegen der ursprünglich nicht beabsichtigten Geltendmachung der Kosten der Hundehaltung und der nicht vorhersehbaren Erkrankung des Hundes ausnahmsweise nach der BFH-Rechtsprechung auch die nachträgliche Vorlage eines solchen Attestes ausreichend sein könnte, denn im Streitfall sei nur ein Attest des behandelnden Arztes vorgelegt worden.


Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig

Dienstag, 2. Januar 2007

Weihnachtliche Nachlese - Big Brother im Weihnachtsbaum

Wegen einer Überwachungskamera im Weihnachtsbaum und Zahlungsrückstand wurde einer 96 Jahre alten Bewohnerin eines Pflegeheims der Heimvertrag gekündigt. Das Landgericht München I wies nun jedoch die Räumungsklage des Heimbetreibers gegen die Bewohnerin ab, da die Kündigung nicht gerechtfertigt war.
Der Sohn der Bewohnerin, der auch als deren Betreuer bestellt ist, hatte Ende Dezember 2004 im Pflegezimmer seiner Mutter einen Tannenbaum aufgestellt, in dem er eine Kamera versteckte, um die Pflege seiner Mutter zu kontrollieren. Die mit der Kamera heimlich aufgenommen Bilder wurden im Januar 2005 von dem Fernsehsender RTL in einer Sendung über Pflegeskandale in deutschen Pflegeheimen ausgestrahlt.
Daraufhin wurde der Heimvertrag durch den Heimbetreiber fristlos gekündigt und ein Hausverbot gegen den Sohn ausgesprochen, welches später in ein kontrolliertes Besuchsrecht umgewandelt wurde. Es kam zu einem Gespräch zwischen der Heimleitung und dem Sohn der Beklagten, welches dieser erneut heimlich filmte und RTL zur Verfügung stellte.
Eine weitere Kündigung erfolgte wegen Zahlungsverzuges der Beklagten, da diese erhebliche Beträge des Entgelts für die Pflegeheimunterbringung nicht zahlte.
Der Heimbetreiber war der Ansicht, die Anbringung der versteckten Kamera und die Veröffentlichung der Aufnahmen im Fernsehen stellten einen massiven Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter des Pflegeheims dar. Die falsche Darstellung der Pflegeverhältnisse habe eine massive Rufschädigung bewirkt, so dass ein Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliege. Die Beklagte sei stets ordnungsgemäß gepflegt worden und habe ausreichend Flüssigkeitszufuhr erhalten. Deswegen sei auch das Entgelt für die Heimunterbringung zu Unrecht gekürzt worden.
Dem widersprach die auch im Prozess durch ihren Sohn als Betreuer vertretene Beklagte. Es habe an ausreichender Flüssigkeitszufuhr und Wundversorgung gefehlt. Die Station sei auch chronisch unterbesetzt gewesen. Dies habe sowohl die Installation der Kamera als auch die teilweise Nichtzahlung des Heimentgelts gerechtfertigt. Die Veröffentlichung der Bilder sei das letzte Mittel gewesen, da die Heimleitung nicht gesprächsbereit gewesen sei.
Die Richterin der 28. Zivilkammer des Landgerichts München I kam nach umfangreicher Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, dass der Heimleitung keine Versäumnisse bei der Pflege der Beklagten nachzuweisen sind. Nach den Aussagen der Mitarbeiter des Heims und der behandelnden Ärztin sowie aufgrund der Angaben eines unabhängigen Gerichtssachverständigen ist bestätigt, dass Flüssigkeitsmangel bei der Beklagten nicht vorlag. Den Heimbewohnern sind auch in den Nachtstunden Getränke gereicht worden. Die häufigen Verletzungen der Beklagten sind auf ihren schlechten Hautzustand zurückzuführen und nicht auf Pflegemängel.
Deswegen muss nun auch das restliche Entgelt für den Pflegeplatz in Höhe von knapp 20.000,- Euro nachbezahlt werden. Allerdings rechtfertigt dieser Zahlungsrückstand die Kündigung nicht. Denn die Heimleitung hatte es versäumt, die nächtliche Getränkegabe ausreichend zu dokumentieren. Erst im Lauf des Prozesses hatte die Heimleitung dies vorgetragen und unter Beweis gestellt. Der Betreuer der Beklagten handelte daher nicht schuldhaft, als er von 13-stündigen Trinkpausen ausging und deswegen das Entgelt minderte. Denn tatsächlich würden solche langen Trinkpausen auch zu einer Entgeltminderung berechtigen.
Und auch die außerordentliche Kündigung wegen der heimlichen Filmaufnahmen und deren Weitergabe an RTL war nicht gerechtfertigt. Hierzu führt das Urteil folgendes aus:
„Selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgeht – wofür auch gute Gründe sprechen –, dass die heimlichen Filmaufnahmen und die Weitergabe derselben an den Fernsehsender RTL rechtswidrig waren, so muss doch die Kündigung des Vertrages das letzte Mittel sein. Im vorliegenden Fall existiert als milderes Mittel zur Kündigung das kontrollierte Besuchsrecht. Dieses ermöglicht es einerseits, dem Interesse der Beklagten, im Heim zu bleiben und dem Interesse des Betreuers, seine Mutter zu besuchen, gerecht zu werden, andererseits dem Interesse der Klägerin, vergleichbare Vorfälle wie die heimliche Kameraanbringung zu verhindern, Rechnung zu tragen. Tatsächlich konnte das seit nahezu zwei Jahren bestehende kontrollierte Besuchsrecht ähnliche Vorfälle erfolgreich verhindern. Zutreffend ist, dass das kontrollierte Besuchsrecht die Belastung der Klägerin durch „kontinuierliche, unberechtigte und geschäftsschädigende Vorwürfe“ (....) nicht umfassend zu verhindern mag, es trifft jedoch nicht zu, dass die Klägerin gegen rechtswidrige rufschädigende Äußerungen nur durch Kündigung des Heimvertrages vorgehen kann. Denn es bleibt der Klägerin unbenommen, mit dem dafür vorgesehenen rechtlichen Instrumentarium gegen den Betreuer selbst als eigentlichem Störer vorzugehen, sofern sie derartige Ansprüche für gegeben erachtet. Die für die Klägerin und ihre Mitarbeiter lästige Auseinandersetzung mit dem „schwierigen“ Angehörigen ihrer Heimbewohnerin kann ihr nicht durch die Kündigung erspart werden. Hier gehen die auch durch das Heimgesetz besonders geschützten Interessen der Bewohnerin, für die ein nochmaliger Umzug mit 96 Jahren eine Zumutung wäre, letztlich vor. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte persönlich ein eigenes Verschulden an der schwierigen Situation nicht trifft.“

Pressemeldung des Landgerichts München I vom 19.12.2006 - Urteil vom 18.12.2006, Az. 28 O 8172/05 (bei Veröffentlichung noch nicht rechtskräftig) (Pressesprecher: RiLG Marc Huppert)