Auszug aus den
AD-HOC-Empfehlungen des Deutschen Ethikrats
Ethische
Konflikte im Einzelfall In Notlagen, in denen weniger Beatmungsplätze vorhanden
sind als akut gebraucht würden, sind zwei Grundszenarien zu unterscheiden:
• Triage bei
Ex-ante-Konkurrenz:
Damit sind Fälle bezeichnet, in denen die Zahl der unbesetzten
Beatmungsplätze kleiner ist als die Zahl der Patienten, die ihrer akut
bedürfen. Die hier unausweichlichen Entscheidungen sind normativ weniger
problematisch, wenngleich auch sie für die entscheidenden Personen mit schweren
seelischen Belastungen verbunden sind. Patienten, denen danach die Behandlung
vorenthalten wird, werden von den medizinischen Entscheidern nicht etwa durch
Unterlassen „getötet“, sondern aus Gründen einer tragischen Unmöglichkeit vor
dem krankheitsbedingten Sterben nicht gerettet. Hier gilt der Grundsatz, dass
niemand zu Unmöglichem verpflichtet sein kann. Das Recht bietet für diese
Entscheidung keine positiven Auswahlkriterien. Sichergestellt werden muss
jedoch, dass unfaire Einflüsse bei der Entscheidung nach aller Möglichkeit ausgeschlossen
werden, etwa solche im Hinblick auf sozialen Status, Herkunft, Alter,
Behinderung usw. Aus ethischer Sicht sollte die Entscheidung nach
wohlüberlegten, begründeten, transparenten und möglichst einheitlich
angewandten Kriterien geschehen.
• Triage bei
Ex-post-Konkurrenz:
In diesem Szenario, in dem alle verfügbaren Beatmungsplätze
belegt sind, müsste – bei für alle Versorgten fortbestehender Indikation, deren
Feststellung der ärztlichen Urteilskraft obliegt – die lebenserhaltende
Behandlung eines Patienten beendet werden, um mit dem dafür erforderlichen
medizinischen Gerät das Leben eines anderen zu retten. Solche Entscheidungen
sind erheblich problematischer. Hier können Grenzsituationen entstehen, die für
das behandelnde Personal seelisch kaum zu bewältigen sind. Wer in einer solchen
Lage eine Gewissensentscheidung trifft, die ethisch begründbar ist und
transparenten – etwa von medizinischen Fachgesellschaften aufgestellten –
Kriterien folgt, kann im Fall einer möglichen (straf-)rechtlichen Aufarbeitung
des Geschehens mit einer entschuldigenden Nachsicht der Rechtsordnung rechnen.
Objektiv rechtens ist das aktive Beenden einer laufenden, weiterhin indizierten
Behandlung zum Zweck der Rettung eines Dritten jedoch nicht. Hier muss an den
oben formulierten prinzipiellen Imperativ erinnert werden: Auch in
Katastrophenzeiten hat der Staat die Fundamente der Rechtsordnung zu sichern.
Weniger noch als selbst zahlreiche tragische Entscheidungen in Lebens- und
Sterbensnotfällen könnten Staat und Gesellschaft eine Erosion dieser Fundamente
ertragen.
Quelle: https://www.ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Ad-hoc-Empfehlungen/deutsch/ad-hoc-empfehlung-corona-krise.pdf
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