Donnerstag, 17. März 2005

Visa-Ausschuss: Parteien-Gezerre um Aussage von Oberstaatsanwalt Von Helmut Reuter und Dorothea Hülsmeier

NRW-Justizportal bringt eine dpa-Meldung: Die beiden Kontrahenten begrüßten sich wie gute Bekannte. «Sie haben mir viel Arbeit gemacht», sagte Oberstaatsanwalt Egbert Bülles, der die Visa-Affäre durch seine Ermittlungen ins Rollen brachte. «Ich wünsche Ihnen viel Glück», erwiderte der Geschäftsmann und Erfinder der «Reiseschutzpässe», Heinz Kübler, der von Bülles Ende April wegen gewerbsmäßiger Schleusung angeklagt wird. Beide trafen sich am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss zum massenhaften Missbrauch von Visa. Bülles als Zeuge, Kübler als interessierter Gast.

Bis der 58-jährige Oberstaatsanwalt allerdings als Zeuge vernommen werden konnte, vergingen Stunden des Parteien-Hickhacks. Zuerst sollte der ausgewiesene Experte für Organisierte Kriminalität um 09.00 Uhr aussagen, dann einigten sich die Ausschussmitglieder wegen der Kanzler-Rede im Bundestag auf 12.00 Uhr. Und dann entschied das Gremium überraschend auf FDP-Initiative, die Vernehmung Bülles' ganz abzublasen und auf den 31. März zu verschieben. «Ich habe zu viel Arbeit, um noch ein zweites Mal anzureisen», sagte ein verärgerter Bülles kopfschüttelnd. Der Ausschuss einigte sich schließlich doch noch auf seine Vernehmung.

Der Rheinländer Bülles ist nicht nur humorvoll, sondern auch hartnäckig. Das bewies er in dem einjährigen Verfahren gegen einen ukrainischen Schleuser vor dem Landgericht Köln, bei dem er mehr als 30 Zeugen aus dem Auswärtigen Amt und dem Bundesinnenministerium vorlud. Ihm dämmerte früh, dass der Menschenschmuggel durch die damalige Visa-Praxis begünstigt wurde. «Politisch gewollt», bezeichnete er die rot-grüne Verfahrensweise «Im Zweifel für die Reisefreiheit». Der angeklagte Schleuser Anatoli Barg erhielt statt acht nur fünf Jahre Haftstrafe, weil die Behörden die Straftaten «sehr leicht» gemacht hatten.

Für CDU-Obmann Eckart von Klaeden ist dies die Bestätigung, dass die rot-grüne Visapraxis und die organisierte Schleuserkriminalität zueinander passten «wie der Schlüssel ins Schloss». Aus dem Kölner Verfahren entsprangen laut Bülles 266 Folgeverfahren gegen Schlepper. Am 29. April beginnt in Köln eine neue Verhandlung gegen den bereits im Februar 2004 verurteilten Barg und nun auch den Geschäftsmann Kübler. «Bei Barg legen wir noch eine Schippe drauf», sagt Bülles.

Der Schwabe Kübler wird der gewerbsmäßigen Schleusung angeklagt. Ihm soll beim Verkauf seiner Reiseschutzpässe an den Ukrainer klar gewesen sein, dass sie zur illegalen Schleusung benutzt wurden. «Ich wusste nichts davon», widersprach dagegen Kübler, der noch auf der gerade beendeten Tourismusbörse ITB in Berlin seine Reiseschutzpässe an einem Stand angeboten hatte. Die Pässe waren Versicherungspakete, die einem Visa quasi gleichkamen. Sie sollten sicher stellen, dass Deutschland durch Visa-Antragsteller keine Kosten etwa bei Krankheit oder Abschiebung entstehen. «Ich halte die Reiseschutzpässe nach wie vor für ein hervorragendes Produkt.»

Ob er sich mit dieser Auffassung in dem Prozess durchsetzen kann, ist fraglich. Auch für das Außenministerium verheißt der neuerliche Prozesstermin in Köln erstmal nichts Gutes. Schon in der Anklageschrift lässt nämlich der Oberstaatsanwalt keinen Zweifel daran, dass er neben Barg und Kübler auch das Auswärtige Amt für die Schleuserkriminalität verantwortlich sieht. Trotz zahlreicher Warnungen seien die Ministerien offensichtlich «beratungsresistent» gewesen. Bülles bleibt dabei: «Das ist bei der Strafzumessung als erheblicher Milderungsgrund zu berücksichtigen.»

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