Mittwoch, 20. April 2005

Bundesjustizministerin will Deal im Strafverfahren nach Vorgabe des Großen Strafsenats des Bundesgerichtshofs gesetzlich regeln

Der Tagesspiegel berichtet über die Folgerungen, die Bundesjustizministerin Zypries aus dem Urteil des Großen Strafsenats des Bundesgerichtshofs zu Absprachen im Strafverfahren ziehen will, nämlich die Rahmenbedingungen gesetzlich zu regeln. Vgl. auch hier.

Der Tagesspiegel:

„Wir arbeiten an einer Reform der Strafprozessordnung, die auch eine Regelung zum Deal enthalten wird“, sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries dem Tagesspiegel. Derzeit werde im Haus ein Referentenentwurf erstellt, offenbar ganz auf Linie des BGH-Beschlusses. „Die Entscheidung enthält wichtige Impulse für den Entwurf“, sagte Zypries. Nur wann er fertig ist – das lässt sie offen.

LiNo hat über die Entscheidung des Bundesgerichtshofs berichtet.

Die Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs über die Entscheidung des Großen Strafsenats ist hier zu finden.

Der Beschluss des Großen Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 03.03.2005 - GSST 1/04 - ist ebenfalls veröffentlicht. Hieraus ergibt sich der Aufruf an den Gesetzgeber (endlich) tätig zu werden:

"An den dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung unterbreiteten Fällen wird deutlich, daß sich die Verständigung zwischen den Prozeßbeteiligten zunehmend von einem mit der Strafprozeßordnung problemlos zu vereinbarenden „offenen Verhandeln“ des Gerichts in Form der Bekanntgabe einer dem jeweiligen Verfahrensstand entsprechenden Prognose entfernt. Die Urteilsabsprache bewegt sich hingegen in die Richtung einer quasivertraglichen Vereinbarung zwischen dem Gericht und den übrigen Verfahrensbeteiligten. Die Strafprozeßordnung in ihrer geltenden Form ist jedoch am Leitbild der materiellen Wahrheit orientiert, die vom Gericht in der Hauptverhandlung von Amts wegen zu ermitteln und der Disposition der Verfahrensbeteiligten weitgehend entzogen ist, Versuche der obergerichtlichen Rechtsprechung, Urteilsabsprachen, wie sie in der Praxis inzwischen in großem Umfang üblich sind, im Wege systemimmanenter Korrektur von Fehlentwicklungen zu strukturieren oder – wie die vorstehende Lösung zeigt – unter Schaffung neuer, nicht kodifizierter Instrumentarien ohne Bruch in das gegenwärtige System einzupassen, können daher nur unvollkommen gelingen und führen stets von neuem an die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung.

Der Große Senat für Strafsachen appelliert an den Gesetzgeber, die Zulässigkeit und, bejahendenfalls, die wesentlichen rechtlichen Voraussetzungen und Begrenzungen von Urteilsabsprachen gesetzlich zu regeln. Es ist primär Aufgabe des Gesetzgebers, die grundsätzlichen Fragen der Gestaltung des Strafverfahrens und damit auch die Rechtsregeln, denen die Urteilsabsprache unterworfen sein soll, festzulegen. Dabei kommt ihm – auch von Verfassungs wegen – ein beachtlicher Spielraum zu (BVerfGE 57, 250, 275 f.)."

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