Freitag, 6. Mai 2005

Schattenseite des § 12a ArbGG und Zermürbungstaktik im Arbeitsgerichtsprozess

Der Kollege Ralph Sutthoff aus Steinfurt hat mir gestattet, seinen folgenden Bericht an eine Mailingliste hier zu veröffentlichen. Noch lieber wäre es ihm allerdings, wenn der Gesetzgeber eine Stelle eingerichtete hätte, wo praktizierende Juristen Fehlentwicklungen, Lücken und technisch schlechte Regelungen melden könnten. Es geht um Verfahren vor den Arbeitsgerichten:

§ 12 a ArbGG ist eine Vorschrift, die man dem Mandanten immer wieder erklären muss.

(ArbGG § 12 a Kostentragungspflicht

(1) In Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten oder Beistandes. Vor Abschluß der Vereinbarung über die Vertretung ist auf den Ausschluß der Kostenerstattung nach Satz 1 hinzuweisen. Satz 1 gilt nicht für Kosten, die dem Beklagten dadurch entstanden sind, daß der Kläger ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Finanz- oder Sozialgerichtsbarkeit angerufen und dieses den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen hat. ………)

Abgesehen von grundsätzlichen rechtspolitischen Erwägungen ist sie im Einzelfall häufig unbillig und wird auch als solche empfunden. Die Frage ist, wie weit darf man es mit dieser überaus rigiden und dominanten Vorschrift treiben?

Dazu berichte ich von einem aktuellen, eigentlich absurden Fall, indem ein Kollege die Vorschrift hemmungslos ausnutzt.

Der gewerbliche Mandant M kündigt dem Arbeitnehmer A fristlos weil er ihm Diebstahl nachweisen kann. A lässt sich darauf von einem Fachanwalt für ArbR vertreten und erhebt Kündigungsschutzklage. M lässt sich vor dem ArbG von einem Assessor der Innung vertreten. Wie so oft hat M die Frist des § 626 II nicht beachtetet und muss sich daher auf einen miesen Vergleich einlassen. Er schäumt vor Wut, dass er dem A jetzt auch noch 1.000,- € Lohn für nicht geleistete Arbeit nachzahlen soll. Mit dem Assessor ist er äußerst unzufrieden, weshalb er sich keinesfalls von dort weiter vertreten lassen will.

FACHANWALT setzt M eine Frist zur Zahlung.

Der verärgerte M ist bockig und zahlt nicht. FACHANWALT setzt ihm daraufhin eine letzte Nachfrist unter Androhung der ZV. Noch vor Ablauf der Nachfrist macht der FACHANWALT dem M das Konto nach § 845 ZPO dicht. Daraufhin zahlt der zornige M endlich.

Nunmehr meldet FACHANWALT sich erneut bei M und fordert unter Androhung der ZV Vollstreckungskosten in Höhe von knapp 90,- € ein.

Damit läuft der wütende M nun zu mir. Ich überprüfe den Sachverhalt und stelle fest, dass die Überweisung des M dem A am letzten Tag der Nachfrist auf dem Konto gutgeschrieben worden ist. Den FACHANWALT weise ich auf diesen Umstand hin und fordere ihn unter Fristsetzung zur Auskehrung des entwerteten Titels auf.

Zwei Wochen nach der von mir gesetzten Frist meldet sich FACHANWALT bei mir.

M habe sich in Verzug befunden, er solle zahlen, ansonsten werde er vollstrecken. Ich teile FACHANWALT mit, dass ich seine Rechtsauffassung nicht teile und drohe Vollstreckungsgegenklage an, die ich schließlich auch (verständlicherweise wenig begeistert) erhebe.

Mit Mindermeinung reiche ich Klage (nebst Kostenantrag und Antrag nach § 495 a ZPO) am Amtsgericht ein, stelle aber gleich Hilfsantrag auf Verweisung an das ArbG. Wie befürchtet nutzt die Amtsrichterin die elegante Möglichkeit, die Akte schnell vom Tisch zu bekommen und schiebt die Sache an das ArbG ab.

FACHANWALT hat bis heute keinen Antrag gestellt und sich mit einem Zweizeiler darauf beschränkt, die Zuständigkeit des Amtsgerichts zu rügen.

Die Richterin am ArbG lädt zur Güteverhandlung an einem Freitag. Kurz vorher meldet FACHANWALT sich bei Gericht und bittet um Terminverschiebung. Das Gericht setzt daher neuen Termin auf den folgenden Montag an. Am Montag fahre ich die 30 km zum ArbG. Wer im neuen Termin jedoch nicht erscheint ist der Kollege FACHANWALT. Die Richterin stellt fest, dass das EB nicht zurück gekommen ist und macht daher einen neuen Termin.

Eine Woche später ruft überraschend FACHANWALT hier in der Kanzlei an. Für 90,- € werde er keinesfalls einen Termin wahrnehmen. Er bot an, die Kosten außergerichtlich zu teilen.

Ob ich denn da andernfalls noch zweimal umsonst zum ArbG hinfahren wolle?

Danach rufe ich die Richterin an. Sie sagt, sie habe sich die Sache auf Wiedervorlage gelegt und werde die Ladung notfalls durch PZU zustellen. Daraufhin schicke ich dem Kollegen FACHANWALT ein Fax, worin ich ihm jedenfalls Mitnahme eines VU ankündige. Und so nimmt eine Farce ihren Fortgang . . .

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ohne den nötigen Fachverstand - warum lässt man den M nicht unter Vorbehalt zahlen und holt sich dann das Geld wegen ungerechtfertigter Bereicherung wieder? Sind die Schäden durch die Kontenpfändung nicht weitaus höher?

Lichtenrader Notizen von Rolf Jürgen Franke hat gesagt…

Ich kann mir vorstellen, dass der wütende Mandant für den Ratschlag, 90 EURO zu zahlen, um sie dann auf eigene Kosten (§ 12a ArbGG, das ArbeitsG dürfte zuständig sein) klageweise wieder hereinzuholen, nicht zugänglich war!

Lichtenrader Notizen von Rolf Jürgen Franke hat gesagt…

Weitergeleitete Antwort des Kollegen Ralph Sutthoff:
"Es ist richtig, was der Mirko sagt. Das habe ich selber auch überlegt. Aber der Mandant hat RSV. Und ich muß, wie heute üblich, davon ausgehen, dass später nach Bereicherungsklage bei dem AN nichts zu holen ist (Rechtsschutzbedürfnis einmal unterstellt). Also war ich gezwungen, die ZV aufzuhalten."