Donnerstag, 23. Juni 2005

Baugebührenordnung in Berlin nichtig

Das Oberverwaltungsgericht Berlin hat es mangels gesetzlicher Grundlage für unzulässig erklärt, Gebühren für die Befreiung von den Bestimmungen über das zulässige Maß der baulichen Nutzung nach der Berliner Baugebührenordnung neben der Baugenehmigungsgebühr zu erheben und damit entsprechende Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin bestätigt, so dass die Baugebührenordnung in Berlin insoweit nichtig ist.

Die 19. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin hatte durch Urteile vom 17. Dezember 2004 in drei Verwaltungsstreitverfahren die Gebührenbescheide des Bezirksamts Charlottenburg-Wilmersdorf über Befreiungsgebühren von 930.450 Euro, 310.952 Euro und 134.806 Euro aufgehoben. Die Befreiungsgebühren waren für die Überschreitung des Maßes der baulichen Nutzung (Geschossflächenzahl und Grundflächenzahl) nach der Baugebührenordnung 2001 erhoben worden.

Die 19. Kammer hielt an ihrer Auffassung fest (Beschluss vom 13. Februar 2004 - VG 19 A 204.03 -), dass die entsprechenden Gebührenregelungen im Hinblick auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu hochschulrechtlichen Rückmeldegebühren nichtig sind, weil nach derzeitiger Rechtslage nur der Zweck der Kostendeckung verfolgt werden darf. Der Zweck der Befreiungsgebühren, die die wirtschaftlichen Vorteile einer Befreiung vom Maß der Nutzung zumindest teilweise abschöpfen sollen, ist entgegen Art. 64 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung von Berlin in der Ermächtigungsgrundlage des Gebühren- und Beiträgegesetzes nicht hinreichend bestimmt worden. Die Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts über Normenwahrheit und Normenklarheit, wonach der Zweck der Gebührenregelung im Gesetz erkennbar von Steuern abzugrenzen ist, sind nicht eingehalten. Darüber hinaus ist das Äquivalenzprinzip verletzt, wonach sich die Gebühr auch im Einzelfall noch ansatzweise auf die Kosten des Verwaltungsaufwandes zurückführen lassen muss. Dies ist nicht der Fall, weil die Gebühren in einem groben Mißverhältnis zur Höhe des Verwaltungsaufwandes stehen (in einem Fall beträgt das Verhältnis von Gebühr zum Verwaltungsaufwand 113:1).

Demgegenüber hatte das OVG Berlin zunächst die Gebührenregelungen in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Beschluss vom 3. Juni 2004 - OVG 2 S 18.04 -; bei summarischer Prüfung als rechtmäßig angesehen.Das Verwaltungsgericht hatte die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.Urteile der 19. Kammer vom 17. Dezember 2004 - VG 19 A 336.02, VG 19 A 183.04 und VG 19 A 300.04 -

Jetzt hat der zweite Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts Berlin bestätigt.

Nach der Auffassung des 2. Senats fehlt für die mit der Befreiungsgebühr bewirkte Vorteilsabschöpfung, die dadurch entsteht, dass die an die jeweilige Quadratmeterzahl gekoppelte, linear mit dem Flächenzuwachs ansteigende Gebühr keine Kappungsgrenze oder Degression aufweist, die verfassungsrechtlich erforderliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage im Gesetz über Gebühren und Beiträge. Dieses Gesetz nenne für die Erhebung von Verwaltungsgebühren nur die Kostendeckung als Gebührenzweck und könne aufgrund seiner Entstehungsgeschichte auch nicht erweiternd ausgelegt werden. Auf der Verordnungsebene dürfe deshalb kein weiterer, nicht vom Gesetz gedeckter Gebührenzweck wie die Vorteilsabschöpfung verfolgt werden. Rechtsverordnungen wie die Baugebührenordnung unterlägen dem Gesetzesvorbehalt und müssten sich an die finanzverfassungrechtlichen Kompetenzschranken halten, wonach Gebühren nicht in funktionale Konkurrenz zur Steuer treten dürften.

Urteile vom 22. Juni 2005 – 2 B 5. bis 7.05 -

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