Donnerstag, 2. Juni 2005

Feinstaub: Eilantrag auf Aktionsplan vom Verwaltungsgericht Berlin abgelehnt

Pressemitteilung über Beschluss der 10. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin vom 1. Juni 2005 - VG 10 A 75.05 -: Die Antragsteller wohnen an der stark befahrenen Frankfurter Allee bzw. am Frankfurter Tor in Ber-lin, in deren Bereich die seit dem 1. Januar 2005 geltenden Grenzwerte für Feinstaubbelastung über-schritten wurden. Sie befürchten erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigungen und beantragten bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Ende Dezember 2004 Maßnahmen zur Einhaltung der Grenz-werte. Mit ihrem Eilantrag bei der 11. Kammer des Verwaltungsgerichts hatten sie erfolglos begehrt, den Kraftfahrzeugverkehr in der Berliner Innenstadt vollständig für Dieselfahrzeuge ohne Rußpartikelfilter zu sperren, hilfsweise den Kraftfahrzeugverkehr so zu beschränken, dass die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte in ihrem Wohnbereich sichergestellt sei. Nach Auffassung der 11. Kammer des Verwaltungsgerichts ist der Eilantrag unzulässig. Hinsichtlich des Hauptantrages fehle es an einem entsprechenden vorherigen Antrag bei der Straßenverkehrsbehörde. Der Antrag bei der Behörde habe sich ausschließlich auf die Erstellung eines Aktionsplanes zur Luftreinhaltung bezogen, der festlegen solle, welche geeigneten Maßnahmen kurzfristig zu ergreifen seien, um Grenzwerte einzuhalten. Ferner halte sich die begehrte Sperrung des gesamten Berliner Innenstadtbereiches für Dieselfahrzeuge ohne Rußpartikelfilter nicht im Rahmen der - zum Ausschluss unzulässiger Popularklagen erforderlichen - dauerhaften räumlichen Betroffenheit. Der Eilantrag sei im übrigen auch unbegründet. Da von dem insgesamt 49%igen Anteil des Straßenverkehrs an der Feinstaubbelastung lokal lediglich etwa 11 % auf Dieselabgase zurückzuführen seien, bestehe keine Notwendigkeit, die Behörde insoweit zum sofortigen Handeln zu zwingen; im Übrigen habe die Behörde erklärt, in Kürze einen Luftreinhalte- und Aktionsplan zu erstellen. Davon abgesehen seien bereits nach der Konzeption des Bundesimmissionsschutzgesetzes gewisse zeitliche Überschreitungen von Grenzwerten hinzunehmen. Für das Begehren der Antragsteller gebe es auch keine Anspruchsgrundlage. Nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz könne die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften nur beschränken, soweit dies ein Luftreinhalte- oder Aktionsplan vorsieht. Ein Luftreinhalte- und Aktionsplan für Berlin liege aber noch nicht vor, lediglich ein Entwurf vom Februar 2005, der vom Senat nach Beteiligung der Öffentlichkeit verabschiedet werden müsste. Die Auswirkung des Fehlens eines solchen Planes sei nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Die Straßenverkehrsordnung biete, sofern sie neben dem Bundesimmissionsschutzgesetz überhaupt zur Anwendung komme, keine taugliche Anspruchsgrundlage. Das Aufkommen an Feinstaub sei in hohem Maße nicht verkehrsbedingt. Nach den vorliegenden Erkenntnissen habe in Berlin der lokale Straßenverkehr nur einen Anteil an der Gesamtfeinstaubbelastung von insgesamt 26 %, wovon etwa je die Hälfte auf Dieselabgase sowie auf Aufwirbelung/Abrieb zurückzuführen seien. Lokale Verkehrsbeschränkungen seien damit nicht geeignet, zu der begehrten Feinstaubreduzierung beizutragen. Es bedürfe vielmehr einer großräumigen und langfristigen Herangehensweise, wie das Bundesverwaltungsgericht in seiner “Sommersmog-Entscheidung” ausgeführt habe. Verkehrsbeschränkungen allein auf der Frankfurter Allee würden zudem nur zu einer Verlagerung des Verkehrs in umliegende Straßen führen und damit den Anteil der ohnehin schon großen Hintergrundbelastung erhöhen. Für eine Beschränkung des Verkehrs im Innenstadtbereich für Kraftfahrzeuge ohne Rußpartikelfilter fehle es schließlich nach dem gegenwärtigen Straßenverkehrsrecht auch an entsprechenden Verkehrszeichen. (VG 11 A 226.05; die Beschwerde hierzu ist beim Oberverwaltungsgericht Berlin zu OVG 1 S 44.05 anhängig).

Nach Auffassung der 10. Kammer des Verwaltungsgerichts ist der Eilantrag unzulässig. Die nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz bestehende Pflicht der zuständige Behörde, einen Aktionsplan aufzustellen, wenn die Gefahr besteht, dass die festgelegten Immissionsgrenzwerte überschritten werden, bestehe allein im Allgemeininteresse und gebe dem Einzelnen keinen Anspruch hierauf (ebenso die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts München, Beschluss vom 27. April 2005; anderer Auffassung die 16. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart, Urteil vom 31. Mai 2005). Dies ergebe sich bereits aus der Gesetzesbegründung, wonach es sich bei den aufzustellenden Luftreinhalte- und Aktionsplänen um bloße Verwaltungsinterna handele, die den einzelnen Bürger weder zu binden vermögen, noch diesem im Gegenzug individuelle Rechte verschaffen können. Auch auf den Erlass sonstiger Umweltpläne, wie beispielsweise Lärmminderungspläne, bestehe kein klagbarer Anspruch des Einzelnen. Im Übrigen habe der Antragsgegner bereits im Februar 2005 einen in den Luftreinhalteplan integrierten Aktionsplan vorgestellt, der zwischenzeitlich das Stadium der Öffentlichkeitsbeteiligung urchlaufen habe und demnächst in Kraft treten werde. Soweit die Antragsteller diesen Aktionsplan als “Mogelpackung” bezeichneten, sei dem entgegenzuhalten, dass der Planent-wurf durchaus kurzfristig wirksame Maßnahmen beinhalte. So sehe er unter Anderem eine Umrüstung der Fahrzeuge des ÖPNV, eine Aktionskampagne zur Staubvermeidung für Baustellen sowie ggf. auch noch nicht näher bezeichnete lokale Verkehrslenkungsmaßnahmen vor. Weiterhin habe der Antragsgegner weitere kurzfristige Maßnahmen in Betracht gezogen, diese im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative aber mangels Effektivität verworfen (so z.B. eine verstärkte Straßenreinigung) oder weil er sie nicht als verursachergerecht bzw. verhältnismäßig angesehen habe (z.B. ein-zelne Straßenverkehrsmaßnahmen, die lediglich zu einer Verkehrs- und damit Feinstaubverlagerung führen). Angesichts der Komplexität der Problematik, der vielfältigen Quellen der Feinstaub-Partikel und der Tatsache, dass nach derzeitigem Kenntnisstand ein Großteil der Partikel von Quellen außer-halb des Einflussbereichs des Antragsgegners in die Berliner Luft eindringe, sei der Aktionsplan nicht als von vornherein ungeeignet anzusehen. Zudem stehe dem Antragsgegner bezüglich der von ihm für notwendig und wirksam erachteten Maßnahmen ein Prognose- und Beurteilungsspielraum zusteht, der nur in eingeschränktem Maße der gerichtlichen Kontrolle unterliege. Es widerspräche dem Grundsatz der Gewaltenteilung, wenn das Gericht dem Antragsgegner vorschriebe, welche Maßnah-men zur Reduzierung der Feinstaubbelastung kurzfristig wirksam und deshalb zu ergreifen seien. Ein “Königsweg” zur (insbesondere kurzfristigen) Reduzierung der Feinstaubpartikel sei nicht ersichtlich und habe sich deshalb dem Antragsgegner nicht aufdrängen müssen. Gegebenenfalls müsse auf mittel- und langfristig wirksame Maßnahmen zurückgegriffen werden, wie dies auch eine von der Weltgesundheitsorganisation im Auftrag der Europäischen Kommission erstellte Studie zum Stand der Wirkungsforschung zu Feinstaub nahelege. Schließlich folge auch aus Gemeinschaftsrecht kein subjektives Recht auf Erstellung eines Aktionsplanes. Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Berlin zulässig.

vgl. zuletzt LiNo hier.

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