Pressemitteilung des Berliner Verwaltungsgrichts:Das Verwaltungsgericht Berlin hat erneut in einer Grundsatzentscheidung den Antrag einer Berliner Universität auf Erstattung von Kosten für ihren in einer Hochschulzulassung tätigen Rechtsanwalt abgelehnt.
Studenten, die in einem Fach studieren wollen, für das Zulassungsbeschränkungen gelten (sog. Numerus Clausus oder NC), können bei der Uni einen Antrag auf Zulassung zum Studium außerhalb der festgesetzten Aufnahmekapazität stellen (sog. Überkapazitätsantrag). Zugleich können sie einen Antrag beim zuständigen Verwaltungsgericht auf Erlass einer einstweiligen Anordnung – auf Zuweisung eines Studienplatzes außerhalb der festgesetzten Aufnahmekapazität - stellen. Seit Jahrzehnten findet eine gerichtliche Überprüfung der von den Unis festgesetzten Kapazität nahezu ausschließlich in solchen vorläufigen Rechtsschutzverfahren statt. Eines zusätzlichen Klageverfahren bedurfte es nicht, da die Unis Überkapazitätsanträge unbeschieden ließen oder bei einer Bescheidung zumindest Rechtsbehelfsbelehrungen “wegließen” und so die Klagefrist auf ein Jahr verlängert wurde. 1998 gaben die Berliner Unis diese Praxis auf und beschieden Überkapazitätsanträge grundsätzlich sofort. Damit muss der Studienbewerber zusätzlich eine Klage gegen die Uni erheben um zu verhindern, dass die Ablehnung unanfechtbar wird. Ein Teil der Berliner Unis beauftragte eine Rechtsanwaltskanzlei mit der generellen Vertretung in allen NC-Verfahren. Diese beantragten in den Klageverfahren sogleich nach Klageeingang unter weitgehender Verwendung eines Formularschreibens Klageabweisung und nach jeweiliger Klagerücknahme Erstattung der Anwaltskosten. Die früher beim Verwaltungsgericht Berlin für Kostenrecht allein zuständige 35. Kammer lehnte dies ab, weil sie das Tätigwerden eines Rechtsanwaltes in den NC-Klageverfahren für nicht erforderlich hielt (u.a. Beschluss vom 16. August 2000). Der für Kostenrecht seinerzeit zuständige 3. Senat des OVG Berlin war dagegen anderer Auffassung (Beschluss vom 7. Februar 2001). Die beim Verwaltungsgericht Berlin nunmehr ebenfalls für Kostenrecht zuständige 14. Kammer hat eine Kostenerstattung wiederum abgelehnt. Zu Grunde lag der Rechtsstreit eines jungen Mannes gegen die Charité-Universitätsmedizin Berlin um einen außerkapazitären Studienplatz. Die Klage gegen den Ablehnungsbescheid der Uni war ausdrücklich lediglich fristwahrend erhoben worden. Zudem enthielt sie die Ankündigung einer Klagerücknahme nach Abschluss des Eilverfahrens sowie die Bitte, von der Beauftragung eines Rechtsanwaltes bis zum Abschluss des Eilverfahrens abzusehen. Kurz nach Zustellung der Klageschrift wurde die von der Charité beauftragte Rechtsanwaltskanzlei tätig und beantragte nach späterer Klagerücknahme Erstattung der Anwaltskosten in Höhe von rund 307 EUR (nach dem seit Juli 2004 geltenden Kostenrecht belaufen sich die Anwaltskosten für ein NC-Klageverfahren in der Regel auf 477 EUR je für einen eigenen Rechtsanwalt sowie für den gegnerischen Anwalt; die Gerichtsgebühren betragen für das Klageverfahren 363 EUR und ermäßigen sich bei Rücknahme auf 1/3 dieses Betrages).
Nach Auffassung der 14. Kammer können zwar grundsätzlich auch Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts wie beispielsweise Universitäten Rechtsanwälte in Verwal-tungsstreitverfahren beauftragen und deren Kosten in Rechnung stellen. Eine Kostenerstattung sei jedoch ausgeschlossen, wenn die anwaltliche Vertretung offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan sei, dem Gegner Kosten zu verursachen. Dies sei in den NC-Klageverfahren der Fall. Diese Klagen würden sich in jedem Falle erledigen, ohne dass es irgendeiner Prozessführung von Anwälten bedürfe, weil der NC-Streit “endgültig” im Eilverfahren entschieden werde. Dies gelte um so mehr, als diese Klagen regelmäßig nur zur Fristwahrung erhoben würden und eine Rücknahme der Klage nach Abschluss des Eilverfahrens angekündigt würde. Die Sinnlosigkeit eines anwaltlichen Beistandes dränge sich in diesen Klageverfahren geradezu auf. Es entstehe zudem der Anschein, dass mit der generellen Beauftragung von Anwälten und der damit verbundenen deutlichen Erhöhung des Kostenrisikos potenzielle Kläger abgeschreckt werden sollen. Dies würde nicht nur mit dem Sozialstaatsprinzip und dem Recht auf gleiche Bildungschancen kollidieren, sondern auch mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes. Ein Kläger dürfe nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit der Handhabung der Vorschriften über Gerichts- und Anwaltsgebühren nicht mit einem Kostenrisiko belastet werden, das außer Verhältnis zu seinem Interesse an dem Verfahren steht und die Anrufung des Gerichts bei vernünftiger Abwägung als wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll erscheinen lässt. Der Studienbewerber gehe jedoch mit einem NC-Rechtsstreit ein hohes Prozess- und Kostenrisiko ein, weil die Zahl der Mitbewerber unkalkulierbar hoch sei, die der freien Studienplätze vergleichsweise gering und damit das Risiko erheblich sei, bei einem eventuellen Losentscheid leer auszugehen. Aus der Sicht einkommensloser junger Menschen gehe es um beträchtliche Kosten, die zumindest diejenigen vom Prozessieren abhalten könnten, die diese Beträge nicht von ihren Eltern, sondern durch Kreditaufnahme aufbringen müssen. Die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu erhalten, ändere nichts daran, denn für die Kosten des gegnerischen Anwaltes müsse der Kläger auch bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe stets selbst aufkommen.
Gegen den Beschluss ist bereits Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt.
Beschluss der 14. Kammer vom 28. Juni 2005 – VG 14 KE 9.05 -
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