Samstag, 20. August 2005

Staatsanwaltschaft Trier auf Strafverteidigerjagd?

Die Staatsanwaltschaft in Trier veröffentlichte am 03.08.2005 und am 11.08.2005 zwei Pressemitteilungen, die neugierig machen. In der Trierer Justiz schlagen offensichtlich die von Emotionen getragenen Wogen hoch. Der Leiter der Staatsanwaltschaft in Trier, Leitender Oberstaatsanwalt Horst Roos, in Personalunion auch Pressestelle der Staatsanwaltschaft Trier, scheint sich nach verschiedenen Artikeln in der einzigen Tageszeitung im Regierungsbezirk Trier "Trierischer Volksfreund" rechtfertigen zu wollen.

Was so genau im Trierischen Volksfreund stand bleibt im Internet den Abonnenten vorbehalten. Normalbürger bekommen leider nur bröckchenweise Informationen.

LiNo versuchte die Vorgänge zu verstehen und bat den betroffenen Verteidiger um eine Stellungnahme, die heute eintraf.

Es geht nicht um einen Grünschnabel, der forsch und ohne Rücksicht auf Verluste alles tut, um mit Erfolgen zu glänzen, sondern um ein sehr erfolgreiches alt eingesessenes anwaltliches Trierer Urgestein, Fachanwalt für Strafrecht, zugelassen auch bei dem OLG Koblenz: Rechtsanwalt Paul Greinert. Er ist ein recht bekannter Anwalt in Trier, der "nicht mit offenen Worten spart".

Jener Rechtsanwalt soll sich nun nach dem Inhalt der Pressemitteilung vom 11.08.2005 hinreichend verdächtig gemacht haben, im Rahmen der Verteidigung für seinen Mandanten T., einem wegen räuberischer Erpressung u.a. Angeklagten, dessen Hauptverhandlung vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Trier noch läuft, mit strafbaren Handlungen wie versuchter Strafvereitelung, Beihilfe zur falschen uneidlichen Aussage, versuchter Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage und Beleidigung beigestanden zu haben, so dass deswegen Anklage gegen den Verteidiger erhoben wurde.

Der Leitende Oberstaatsanwalt Roos teilt als Pressesprecher hierzu mit:

Ein 55 Jahre alter Privatdetektiv war Zeuge in jenem Verfahren. Die Staatsanwaltschaft Trier geht davon aus, dass der Zeuge mit dem Vater des Angeklagten vereinbart hat, gegen Entgelt einen den Angeklagten wahrheitswidrig entlastenden Sachverhalt vor Gericht zu bekunden, um ihn vor Verurteilung zu bewahren. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen war Rechtsanwalt G. in diese Absprache eingeweiht und hat den Zeugen in seinem Vorhaben bestärkt, mit ihm die näheren Einzelheiten der wahrheitswidrigen Aussage abgesprochen und ihm zugesagt zu haben, ihn bei der Falschaussage vor Nachfragen durch den Vorsitzenden der Strafkammer zu schützen. In der Hauptverhandlung vom 21. Juni 2005 hat Rechtsanwalt G. versucht - sein Fragerecht als Verteidiger nutzend - auf den Zeugen einzuwirken und die Zahl der Telefongespräche wahrheitswidrig mit weniger als fünf anzugeben.

Hier stutzt der Beobachter: Die Fragen des Verteidigers in der Hauptverhandlung als Indiz für strafbare Handlungen des Verteidigers? Es ist geradezu die Pflicht eines jeden Verteidigers, durch Fragen herauszufinden, ob ein Sachverhalt vorliegt, der die prozessuale Situation des Angeklagten verbessert. Die Argumentation der Staatsanwaltschaft (Indizwirkung der Fragestellung des Verteidigers in der Hauptverhandlung) klingt eher nach Einschüchterungsversuchen gegenüber engagierten Verteidigern.

Weiter heißt es in der staatsanwaltlichen Pressemitteilung:

Die Anklage beruht nicht allein auf den Bekundungen des Zeugen. Dessen Angaben werden vielmehr durch zahlreiche objektive Beweismittel erhärtet.

Hauptbeweis demnach: Angaben des Zeugen, die durch objektive Beweismittel (etwa die legitime Ausübung des Fragerechts?) erhärtet sein sollen. Dies kann an dieser Stelle nicht beurteilt werden.

Jetzt folgt die Fürsorge der Staatsanwaltschaft:

Die Staatsanwaltschaft tritt daher der durch Rechtsanwalt G. in dem heutigen Artikel im Trierischen Volksfreund bewirkten öffentlichen Bloßstellung des Zeugen entgegen.

Im Prinzip gut und richtig. Aber auch hier? Wer ist Zeuge? Der fürsorgliche Leitende Oberstaatsanwalt informiert nicht darüber.

Gut, dass LiNo nachgefragt hat.

Einige Informationen über den Zeugen, den man früher Ausbrecherkönig von Köln nannte und der jetzt als Detektiv tätig ist, verleiten dazu, darüber nachzudenken, ob seine Zeugenangaben ein erfolgversprechendes Beweismittel gegen ein Organ der Rechtspflege sein werden und ob die Presseveröffentlichung vom 11.08.2005 der Staatsanwaltschaft unter diesen Umständen noch mit der Reputation einer Staatsanwaltschaft als "objektivster Behörde der Welt" in Einklang gebracht werden kann:

Rechtsanwalt Greinert teilt (u.a.) sinngemäß mit:

Der Zeuge hat 30 Jahre seiner 54 Lebensjahre in Haft verbracht. Er wird im "Kölner Express" als einer der größte Ganoven Kölns bezeichnet und hat die meisten strafrechtlichen Tatbestände von der Vergewaltigung über die Erpressung, Nötigung, Raub, Betrug, falsche Aussagen PP erfüllt. Er hat auch beispielsweise die CDU- Fraktion in Köln um 78.000 € mit einem Bauernfängertrick geprellt, in dem er angeblich das Videoband einer geheimen Besprechung über finanzielle Transaktionen verkaufte, das zur Überraschung der Käufer statt konspirativer Gespräche einen Spielfilm und einen Boxkampf enthielt. Der Zeuge hatte in seiner Kölner Zeit auch eine Staatsanwältin bedroht, was ihm nach einer vorübergehenden Entlassung wieder Haft einbrachte. Jene Kölner Staatsanwältin beschuldigte er auch der Bestechlichkeit: Sie habe sich für 100.000 DM kaufen lassen. Die Liste kann fortgesetzt werden.


Es fällt schwer, die Sorge des Leitenden Oberstaatsanwaltes Roos um die Bloßstellung dieses kriminell phantasievoll vielseitigen Zeugen, der, hätte ihn die Verteidigung präsentiert, keinen Pfifferling wert wäre, auch nur andeutungsweise nachzuempfinden. Es bleiben die objektiven Indizien, von denen bis auf die Fragetechnik des Verteidigers, die schon kommentiert wurde, nichts bekannt ist und die deshalb nicht bewertet werden können.


Auch die Umstände der Mandatsniederlegung schildert der Verteidiger anders als die Staatsanwaltschaft:

Der leitende Oberstaatsanwalt gibt den Verlauf und das Ergebnis der mündlichen Hauptverhandlung vor dem Zweiten Strafsenat des OLG Koblenz vom 03.08.2005 nachweislich falsch wieder! Die Niederlegung des Mandates T. erfolgte sehr wohl im Rahmen eines Kompromisses! Die Vorsitzende des Senates hatte hatte angeregt, das Verfahren T. Durch die Niederlegung meines Mandates zu "entgiften". Sie bemerkte dazu, dass ich außerhalb der Hauptverhandlung meinen Mandanten weiter beraten könne! Ich habe diesem Kompromiss nur zugestimmt weil ich - nach einigem nachdenken - einsah, dass der Vorschlag des OLG-Senates - auch der mir bekannte RiOLG M. (dieser kennt mich aus seiner Tätigkeit als Vorsitzender der großen Strafkammer in Koblenz) hatte mir dazu geraten -, angebracht ist. Dass die Staatsanwaltschaft Trier weiterhin - statt Entgiftung - Öl ins Feuer goss, hätte ich nicht erwartet.
Die Einzelheiten ergeben sich aus der Stellungnahme des Verteidigers.

Es wird noch spannend in Trier.

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