Donnerstag, 29. April 2010

Elternstreit über Aufenthaltsbestimmungsrecht - Entzug für Beide, jetzt entscheidet das Jugendamt

Ewiger Streit der Eltern über den Aufenthalt des Kindes kann dazu führen, dass ein Gericht das Kindeswohl gefährdet sieht und das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind beiden Eltern entzieht und das Jugendamt statt der Eltern entscheiden lässt. So das OLG Brandenburg in seinem Beschluss vom 31.03.2010 - 13 UF 41/09 - (OLG Report Ost 17/2010).

Aus der Begründung:
".......führt eine Gesamtabwägung der maßgeblichen Umstände dazu, dass den Kindeseltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen war, weil anderenfalls das Wohl des Kindes D… erheblich gefährdet wäre. Eine weniger einschneidende Maßnahme reicht hier nicht aus, um die Situation von D… zu verbessern.

Eine Gefährdung des Wohls des Kindes D liegt darin, dass die Kindeseltern auf Grund ihres immer noch auf der Trennungsebene ausgetragenen Streites die Bedürfnisse ihres Kindes nicht zu erkennen vermögen. Bereits der Sachverständige Dr. S… hat in dem von ihm am 8. April 2009 erstatteten Gutachten aufgrund seiner über einen längeren Zeitraum gewonnen Erkenntnisse im Einzelnen ausgeführt, dass die Kindeseltern nur unter Mediation in der Lage seien, einvernehmlich zu handeln und dies letztlich deshalb nicht zum Erfolg führe, weil beide Eltern eine weitere Mediation ablehnten. Die Elternteile seien beide derart streitverhangen, dass sie nur wenig zwischen Paar- und Elternebene trennen könnten. Den Eltern gelängen viele Handlungen zum Wohle von D… nicht, weil sie noch negative Bindungen aneinander hätten. Die Eltern hätten nicht die Einsicht, dass sie eine gemeinschaftliche Elternschaft ausüben müssten, die sie gemeinschaftlich zum Wohle D…s auszuüben hätten. Erzieherisch sei am Wichtigsten, dass beide zu einem halbwegs kongruenten Verhalten in Bezug auf die Ge- und Verbote von D… kämen, so dass dieser die beiden Eltern nicht mehr gegeneinander ausspielen könne. Dazu gehöre es, sich über die Ge- oder Verbote zu einigen und Freizeitangebote für D… so zu gestalten, dass er sie tatsächlich nutzen könne. Dies erfordere von beiden Elternteilen ein Zugehen auf die Einstellungen und Erziehungserwartungen des jeweils anderen.

Die Eltern sind auch gegenwärtig - insoweit hat eine Veränderung ihres Verhaltens seit der Gutachtenerstattung durch den Sachverständigen S… nach dem Eindruck des Senats, den er sich selbst in den mündlichen Verhandlungen machen konnte nicht stattgefunden – nicht in der Lage, sich über den Aufenthalt des Kindes D… zu einigen. Insbesondere vermögen sie nicht zu erkennen, dass der von dem Kind D… gegenüber der Verfahrenspflegerin geäußerte Wille ernst zu nehmen ist, denn er entspricht einer langen Willensbildung des Kindes. Dass der Sohn D… sich umfangreiche Gedanken über seinen Aufenthalt gemacht hat ist schon daraus ersichtlich, dass er selbst einen Aufenthaltswechsel immer für den Montag vorgeschlagen hat, weil er bereits groß genug sei, um allein zum Schulbus zu gehen. Dies hat er ausdrücklich deshalb vorgeschlagen, damit die Eltern nicht zu häufig aufeinander treffen und so keine Gelegenheit haben, sich über die ihn betreffenden Dinge zu streiten. Der Wunsch und Wille des Kindes D… ist auch nachvollziehbar, eben weil er zu beiden Elternteilen ein gutes vertrauensvolles Verhältnis und eine intensive Beziehung und Bindung hat, wünscht er sich, seine Zeit in beiden Haushalten der Eltern gleichmäßig zu verbringen. Dass D… nicht für bzw. gegen einen Elternteil entscheiden möchte, entspricht auch den Äußerungen des Kindes in der persönlichen Anhörung durch den Senat. Die Eltern, insbesondere der Kindesvater, können in der gegenwärtigen Situation offenbar nicht erkennen, wie wichtig es für D… ist, dass seine Eltern sich auf Dauer über seinen Aufenthalt einigen und es hierbei aus seiner Sicht gerecht zugeht.

Sowohl die Verfahrenspflegerin als auch die Mitarbeiter des Jugendamtes sehen in dieser Einstellung der Kindeseltern die Gefahr einer Kindeswohlgefährdung, da D… bereits jetzt eine sehr niedrige Frustrationsschwelle habe mit der Folge, dass die Missachtung seines nunmehr sogar Dritten gegenüber geäußerten Willens Auswirkungen negativer Art auf seine weitere Entwicklung ernsthaft befürchten lässt.

Die Kindeseltern sind gehalten – und dies würde ein 14tägiges Wechselmodell in hohem Maße erfordern – sich über ein einheitliches Erziehungskonzept für ihren Sohn D… zu einigen, die Vorstellungen des jeweils anderen in der Frage der Erziehung zu tolerieren und damit zu verhindern, dass D… die Uneinigkeit der Eltern – mit zunehmenden Alter immer mehr – nutzt, um diese gegeneinander auszuspielen.

Entgegen der Ansicht der Kindesmutter war nicht ihr allein das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen und dem Kindesvater ein annähernd gleich häufiges Umgangsrecht einzuräumen. Denn die Unfähigkeit der Eltern, sich im Interesse und zum Wohl ihres Kindes D… dauerhaft zu einigen gebietet es, einem neutralen Dritten - dem Jugendamt- die Entscheidung zum Aufenthalt des Kindes zu überlassen, um den zu erwartenden Streit im Rahmen der Ausübung des Umgangsrechts zu vermeiden und für D… endlich eine dauerhafte Lösung zu finden, die seinem eindeutig geäußerten Willen entspricht.

Da beide Eltern ihren Sohn lieben und das Beste für ihn wollen, kann angenommen werden, dass sie nunmehr in der Lage sind, an den erforderlichen Maßnahmen mitzuwirken, mit der Folge, dass der Entzug der elterlichen Sorge für den Teilbereich Aufenthaltsbestimmung dem Senat als ausreichend erscheint. Das Jugendamt, das zum Pfleger bestimmt wird, wird im engen Kontakt mit den Eltern zu entscheiden haben, in welchem Rhythmus sich das Kind D… im jeweiligen Haushalt der Kindesmutter bzw. des Kindesvaters aufzuhalten hat."

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