Mittwoch, 31. März 2010

Zusätzliche Sicherung bei abgetretenen Grundschulden

Der Bundesgerichtshof hat in dem noch nicht mit Gründen veröffentlichen Urteil des XI. Zivilsenats vom 30.03.2010 - XI ZR 200/09 zum Ausdruck gebracht, dass künftig vollstreckbare Titel über Sicherungsgrundschulden - in der Regel geht es um notarielle Grundschuldbestellungsurkunden mit der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in den belasteten Grundbesitz - nach einer Abtretung - nur nach Prüfung, ob die Schutzvorschrift des § 1192 Absatz 1 a BGB einhalten wurde, als vollstreckbare Ausfertigung dem neuen Gläubiger zur Verfügung gestellt werden darf. § 1192 Absatz 1 a) Satz 1 lautet:

1a) Ist die Grundschuld zur Sicherung eines Anspruchs verschafft worden (Sicherungsgrundschuld), können Einreden, die dem Eigentümer auf Grund des Sicherungsvertrags mit dem bisherigen Gläubiger gegen die Grundschuld zustehen oder sich aus dem Sicherungsvertrag ergeben, auch jedem Erwerber der Grundschuld entgegengesetzt werden.

Zum besseren Verständnis: Im Normalfall erhält der ursprüngliche Gläubiger (Darlehensgeber, meist eine Bank) nach einer Grundschuldbestellung antragsgemäß sogleich eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde.

Nach der Abtretung einer sogenannten Sicherungsgrundschuld möchte der neue Gläubiger selbst die Vollstreckungsmöglichkeit bekommen. Deshalb muss die sogenannte Vollstreckungsklausel der ursprünglichen vollstreckbaren Ausfertigung der Grundschuldbestellungsurkunde auf den Rechtsnachfolger umgeschrieben werden. Zuständig ist der Notar.

Nunmehr muss der Notar nach der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vor der Erteilung einer Vollstreckungsklausel für den neuen Gläubiger prüfen, ob gleichzeitig mit der Abtretung die Übernahme der Verpflichtungen aus dem Sicherungsvertrag, auch Zweckbestimmungserklärung oder ähnlich genannt, der das abstrakte grundbuchlich gesicherte Pfandrecht mit der konkreten schuldrechtlichen Vereinbarung, meist mit einem Darlehensvertrag, verküpft, erfolgt ist.

Es soll nur der neue Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung der an ihn abgetretenen Sicherungsgrundschuld erhalten, der zugleich in den Sicherungsvertrag eingetreten ist, der bei Bestellung der Grundschuld mit dem ursprünglichen Gläubiger abgeschlossen wurde. Erst nach Prüfung dieser Übernahme darf der Notar, der gemäß §§ 794, 795, 727 ZPO zuständig ist, die Vollstreckungsklausel für den neuen Gläubiger erteilen.

Die Problematik war dadurch ausgelöst worden, dass sich Grundschuldgläubiger durch Abtretung von vereinbarten Sicherheiten refinanziert haben, indem sie Sicherungsgrundschulden - womöglich an juristische Personen im fernen Ausland - abgetreten haben, ohne dass die neuen Gläubiger an die schuldrechtlichen Sicherungszweckvereinbarungen der ursprünglich Beteiligten gebunden wurden, was zu unerträglichen Ergebnissen und langwierigen Schadenersatzprozessen führte. Das Risikobegrenzungsgesetz (BGBl. I Seite 1666) führte u.a. zur Ergänzung des § 1192 BGB.

Die neue Rechtsprechung des BGH ergänzt die Sicherheit der betroffenen Grundstückseigentümer nach Abtretung von Sicherungsgrundschulden sinnvoll.

Sonntag, 28. März 2010

Land Berlin muss 13.143.000,-- € an Bund zahlen - Gemischte Gefühle bei verfassungswidriger Mischverwaltung

Der Berliner Senat meinte es gut mit Hartz IV-Betroffenen, die in der unglücklichen Lage waren, in einer Wohnung zu leben, die nach den Ausführungsvorschriften für die Übernahme der Kosten der Unterbringung zu teuer war und verschafften ihnen 1 Jahr Frist, indem er in einer Verwaltungsvorschrift einfach anordnete, dass die gesetzlich gebundene Regelung der zulässigen Wohnungskosten erst mit der Verzögerung von einem Jahr angewendet werden sollte.

Da der Bund zahlungspflichtig war, machte er Schadenersatzansprüche gegen das Land Berlin in Höhe von 47.078.126,-- Euro geltend.

Das Bundessozialgericht hat den Anspruch dem Grunde nach bestätigt, weil das Land Berlin vorsätzlich und schwerwiegend die Pflicht verletzt hat, höherrangiges Recht zu beachten.

Anspruchsgrundlage:

„Art 104a GG ………..

(5) Der Bund und die Länder tragen die bei ihren Behörden entstehenden Verwaltungsausgaben und haften im Verhältnis zueinander für eine ordnungsmäßige Verwaltung. Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. ….“

Die Haftung gelte auch für die vorliegende verfassungswidrige, aber bis Ende 2010 hingenommene Form der Mischverwaltung von Bund und Ländern.

Das Bundessozialgericht führt u.a. aus:

„Auch die weiteren Voraussetzungen eines Anspruchs aus Art 104a Abs 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG sind erfüllt. Der Beklagte hat durch den Erlass der AV-Wohnen vorsätzlich und schwerwiegend seine Pflicht verletzt, im Rahmen der grundgesetzlich vorgegebenen Kompetenzordnung höherrangiges Recht (Art 31 GG) beim Erlass von Verwaltungsvorschriften zu beachten (vgl zu dieser Pflicht allgemein zB BVerfGE 30, 292, 332; Ossenbühl in: Isensee/P. Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band III, 2. Aufl 1996, § 62 RdNr 5 f) .

Nr 4 Abs 3 AV-Wohnen regelte folgenden Jahresbestandsschutz:

"(3) Die Kosten der Unterkunft einschließlich Heizkosten werden zunächst für die Dauer eines Jahres ab Beginn des Leistungsbezuges in tatsächlicher Höhe übernommen. Sofern diese Kosten nach den Vorschriften dieser Ausführungsvorschriften als nicht angemessen zu bewerten waren, gelten im Anschluss an diesen Zeitraum die Regelungen der Nummer 4 Abs 8 ff; erstmalig jedoch ab 1.1.2006."

Erst im Anschluss an die Jahresfrist sollte nach Nr 4 Abs 8 AV-Wohnen die gesetzliche Regelung greifen:

"(8) Ergibt die Angemessenheitsprüfung, dass die Aufwendungen den angemessenen Umfang übersteigen, werden die Kosten der Wohnung gemäß § 22 Abs 1 SGB II so lange übernommen, wie es dem Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel oder auf andere geeignete Weise (z. B. durch Untervermietung) die Kosten zu senken, in der Regel jedoch nicht länger als 6 Monate. Dieser Zeitraum kann in den besonders begründeten Einzelfällen (Härtefälle) und/oder wenn eine Kündigungsfrist für den Mieter von mehr als 6 Monaten verbindlich ist, auf bis zu 12 Monate erweitert werden."

Nr 4 Abs 3 AV-Wohnen widersprach von Anfang an offensichtlich der bundesrechtlich vorbestimmten Gesetzeslage. Es fand sich keinerlei Ansatzpunkt, der den planmäßigen und dauerhaften Verstoß des Beklagten gegen Bundesrecht hätte rechtfertigen oder entschuldigen können.“

Die Höhe des Schadenersatzanspruchs hat das Bundessozialgericht geschätzt. Bei 76% der Betroffenen hätte sich erfahrungsgemäß keine Senkung der Kosten erreichen lassen. Demgemäß wurde der Schadenersatzanspruch des Bundes grob zusammengewfasst auf der Basis von 24% der unterbliebenen Kostenersparnis geschätzt.

Der Berliner Senat wartet jetzt ab, was die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue erbringen werden …..

Donnerstag, 4. März 2010

JVA Moabit - Informationen über die Anstalt

Am 16. Oktober 2009 griff ein Strafgefangener in der Teilanstalt III der JVA Moabit Bedienstete an. Dieser Gefangene war zuvor in eine körperliche Auseinandersetzung mit einem Mitinhaftierten verwickelt. Aufgrund der von dem Gefangenen ausgehenden Gefahr weiterer Gewalttätigkeiten gegen Personen wurde gemäß § 88 Absatz 2 Nummer 5 Strafvollzugsgesetz seine Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände angeordnet. Dieser erforderlichen Sicherungsmaßnahme widersetzte sich der Gefangene, indem er einem Bediensteten einen Faustschlag versetzte und weitere Bedienstete angriff. Sein Wider-stand konnte in der Folge durch Anwendung einfacher körperlicher Gewalt unterbunden werden. Zwei der durch den Übergriff verletzten Bediensteten waren zeitweilig dienstunfähig. Der Gefangene ist vor seiner Verlegung indie Teilanstalt III der obligatorischen Aufnahmeprüfung unterzogen worden. Konkrete Anhaltspunkte, die einer Aufnahme entgegengestanden hätten, sind dabei nicht feststellbar gewesen. Insbesondere waren bis zum Zeitpunkt des Zwischenfalls keine Erkenntnisse auf eine ge-steigerte Aggressivität des Gefangenen vorhanden. Er wurde auf anstaltsärztliche Anordnung in die Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie (APP) des Justizvoll-zugskrankenhauses verlegt und dort bis zu seiner Rück-verlegung in die JVA Moabit am 7. Januar 2010 behandelt. Dieser bedauerliche Einzelfall ist von der JVA Moabit intensiv analysiert worden und gab Veranlassung die Verhaltensregeln bei Alarmsituationen in den Wohn-gruppenbereichen der JVA Moabit weiter zu optimieren und die vor Ort handelnden Einsatzleiter zu sensibilisieren.

Die Teilanstalt III der JVA Moabit verfügt über 154 Haftplätze. Die in den Wohngruppenbe-reichen untergebrachten arbeitsfähigen Gefangenen sen bestimmte Voraussetzungen für die Aufnahme erfüllen: Sie dürfen nicht der organisierten Kriminalität zuzu-rechnen sein, keine erkennbare Drogenproblematik, keine besonders hohe Straferwartung und keine Tatbeteiligten in den anderen Anstaltsbereichen haben. Es werden auch keine erkennbar gewalttätigen Gefangenen sowie Unter-suchungsgefangene, bei denen haftbeschränkende Maß-nahmen angeordnet wurden, aufgenommen. Ähnliche Kriterien gelten für die Aufnahme in die Teilanstalt IV mit 29 Haftplätzen. Dort allerdings werden konzeptionsbedingt auch Inhaftierte mit einer Drogenproblematik untergebracht, weil eine Station für Gefangene im Entzug vorgesehen ist. Die Teilanstalten I und II verfügen über 515 bzw. 417 Haftplätze und dienen der Unterbringung von Untersuchungs- und Strafgefangenen ohne besondere Zuweisungskriterien. In der Teilanstalt I befindet sich die Zugangsabteilung für Neuzugänge der JVA Moabit. In einem weiteren Bereich der Teilanstalt I wird für die-jenigen Gefangenen, die gemäß §§ 230, 329 StPO wegen verschuldeter Abwesenheit beim Gerichtstermin zur Weiterführung und Beendigung des Verfahrens bis zum Hauptverhandlungstermin inhaftiert sind, ein unter ande-rem durch längere Aufschlusszeiten gekennzeichneter gelockerter Untersuchungshaftvollzug praktiziert.
Der in Rede stehende Gefangene erfüllte die besonderen Zuweisungskriterien für eine Aufnahme in die Teilanstalt III der JVA Moabit. Sein Vollzugsverhalten war bis zu dem vorgenannten Vorfall unauffällig und beanstandungsfrei.

Die aktuell geltenden Aufnahmekriterien für die Teilanstalt III wurden im Kontext der Vollzugskonzeption für die Gesamtanstalt erstellt. Weder werden diese Kriterien regelmäßig weit ausgelegt noch sind die Unterbringungsbedingungen in der Teilanstalt III der JVA Moabit rechtswidrig. Die JVA Moabit ist eine vor Inkrafttreten des Strafvollzugs-gesetzes im Jahr 1977 errichtete Anstalt im Sinne des § 201 Strafvollzugsgesetz. Strafgefangene dürfen nach § 201 Nummer 3 Strafvollzugsgesetz abweichend von § 18 Absatz 1 Strafvollzugsgesetz auch während der Ruhezeit gemeinsam untergebracht werden, solange die räumlichen Verhältnisse der Anstalt dies erfordern. Die Hafträume in der Teilanstalt III sind zudem ausreichend groß und verfügen über abgetrennte Sanitärbereiche. In der Teilanstalt I hingegen findet mit Ausnahme des Zugangsbereichs der Stationen E1 und E2 keine Mehrfachbelegung statt. Diese wäre wegen des nicht abgetrennten Sanitärbereichs verfassungswidrig.

Berlin, den 17. Februar 2010 Gisela von der Aue Senatorin für Justiz

Dienstag, 2. März 2010

Fiskalisches Wunschergebnis: Kein Beweisverwertungsverbot nach Liechtenstein-Datenkauf

Der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages meint, der "Datendiebstahlskauf" im Fall der Liechtensteiner Bank habe nicht zu einem Beweisverwertungsverbot geführt. Es wird Bezug genommen auf das LG Bochum (Beschluss vom 22. April 2008, Az. 2 Qs 10/08):

„Es geht in der vorliegenden Konstellation nicht um ein zunächst rechtswidriges Verhalten der staatlichen Ermittlungsbehörden, sondern um ein strafrechtlich relevantes Verhalten einer Privatperson. Die Beweisgewinnung regelnden Vorschriften der StPO richten sich jedoch an die Strafverfolgungsorgane, nicht hingegen an Privatpersonen. Daraus folgt, dass Beweismittel, die durch Private in rechtswidriger Art und Weise gewonnen werden, grundsätzlich verwertbar sind. (…) Soweit in der Rechtslehre bei Beweisgewinnung durch Privatpersonen ein Verwertungsverbot angenommen wird, beschränkt sich dies auf Extremfälle, etwa Erpressung eines Geständnisses durch Foltern. In diesen Fällen besteht aber schon aufgrund der Parallele zu § 136a Abs. 1 StPO eine ausnahmsweise Unverwertbarkeit. Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung ist zu berücksichtigen, dass die Verwertung der durch die Daten eröffneten
Erkenntnisse nicht den schlechthin unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung, sondern den geschäftlichen Bereich des Beschuldigten berührt. Die Straftat richtete sich auch nicht primär gegen den Beschuldigten, sondern gegen die LGT. Zudem dient die Verwertung der Kenntnisse der Aufklärung einer Straftat, deren Aufklärung im besonderen Allgemeininteresse liegt.“

vgl. schon vorher: Dr. Schmitz und Partner.