Das
Polizeigesetz heißt in Berlin Allgemeines
Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (Allgemeines
Sicherheits- und Ordnungsgesetz – ASOG Bln)
Auffällig
ist die vorgesehene Verdachtsinverwahrnahme von Bürgern auf Grund richterlicher
Anordnung für einen Zeitraum bis zu 4 Tagen gemäß §§ 30 Absatz 1 Nr. 2, 33
Absatz 1 Nr. 3 ASOG auf Grund richterlicher Anordnung. Die
nachfolgend kursiv eingefügten Änderungen wurden am 26.03.2015 im Berliner
Abgeordnetenhaus von der Mehrheit der Großen Koalition in zweiter Lesung
beschlossen.
Das
Gesetz ist vom Präsidenten des Berliner Abgeordnetenhauses unverzüglich
auszufertigen und dann binnen 2 Wochen zu verkünden (Veröffentlichung im
Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin). Es soll am Tag nach der Verkündung im
Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin in Kraft treten. Dies wird voraussichtlich
noch rechtzeitig vor dem 01.05.2015 sein
Auszug
aus dem geänderten ASOG:
§ 29 ASOG
Platzverweisung;
Aufenthaltsverbot
(1) 1 Die Ordnungsbehörden und die Polizei
können zur Abwehr einer Gefahr eine Person vorübergehend von einem Ort
verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten. 2 Die Platzverweisung kann ferner gegen eine
Person angeordnet werden, die den Einsatz der Polizei, der Feuerwehr oder von
Hilfs- oder Rettungsdiensten behindert.
(2) 1 Die Polizei kann zur Verhütung von
Straftaten einer Person untersagen, ein bestimmtes Gebiet innerhalb von Berlin
zu betreten oder sich dort aufzuhalten, wenn Tatsachen die Annahme
rechtfertigen, dass diese Person dort eine Straftat begehen wird
(Aufenthaltsverbot). 2 Das Verbot ist
zeitlich und örtlich auf den zur Verhütung der Straftat erforderlichen Umfang
zu beschränken. 3 Es darf räumlich nicht
den berechtigten Zugang zur Wohnung der betroffenen Person umfassen. 4 Die Vorschriften des Versammlungsrechts
bleiben unberührt.
§ 29a ASOG
Wegweisung und
Betretungsverbot zum Schutz bei Gewalttaten und Nachstellungen
(1) 1 Die
Polizei kann eine Person aus ihrer Wohnung und dem unmittelbar angrenzenden
Bereich verweisen, wenn Tatsachen, insbesondere ein von ihr begangener
tätlicher Angriff, die Annahme rechtfertigen, dass diese Maßnahme zur Abwehr einer
von der wegzuweisenden Person ausgehenden Gefahr für Körper, Gesundheit oder
Freiheit von Bewohnerinnen und Bewohnern derselben Wohnung erforderlich ist. 2 Unter
den gleichen Voraussetzungen kann die Polizei ein Betretungsverbot für diese
Wohnung, die Wohnung, in der die verletzte oder gefährdete Person wohnt, den
jeweils unmittelbar angrenzenden Bereich, die Arbeitsstätte oder die Ausbildungsstätte,
die Schule oder bestimmte andere Orte, an denen sich die verletzte oder gefährdete
Person regelmäßig aufhalten muss, anordnen. 3 Ergänzend
können Maßnahmen zur Durchsetzung der Wegweisung oder des Betretungsverbots verfügt
werden.
(2) 1 Die
Polizei hat die von einem Betretungsverbot betroffene Person aufzufordern, eine
Anschrift oder eine zustellungsbevollmächtigte Person zum Zwecke von Zustellungen
behördlicher oder gerichtlicher Entscheidungen, die zur Abwehr einer Gefahr im
Sinne des Absatzes 1 ergehen, zu benennen. 2 Die
Polizei hat der verletzten Person die Angaben zu übermitteln.
(3) 1 Das
Betretungsverbot endet spätestens 14 Tage nach seiner Anordnung, in jedem Fall
jedoch bereits mit einer ablehnenden Entscheidung über einen zivilrechtlichen
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Überlassung der gemeinsam
genutzten Wohnung zur alleinigen Benutzung. 2 Das
Zivilgericht unterrichtet die Polizei unverzüglich von seiner Entscheidung.
Bei einer
dringenden Gefahr für Leib oder Leben kann die Polizei im Nahbereich einer
Sprengvorrichtung zur Entschärfung den Mobilfunkverkehr blockieren.
1.
das zum Schutz der Person gegen eine Gefahr für Leib
oder Leben unerlässlich ist, insbesondere weil die Person sich erkennbar in einem
die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand oder sonst in hilfloser
Lage befindet,
2.
das unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende
Begehung oder Fortsetzung einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung
für die Allgemeinheit oder einer Straftat zu verhindern,
3.
das unerlässlich ist, um eine Platzverweisung oder ein
Aufenthaltsverbot nach § 29 oder eine Wegweisung oder ein Betretungsverbot nach
§ 29a durchzusetzen,
4.
das unerlässlich ist, um private Rechte zu schützen,
und eine Festnahme oder Vorführung der Person nach den §§ 229, 230 Abs. 3 des
Bürgerlichen Gesetzbuches zulässig ist.
(2) Die Polizei
kann Minderjährige, die sich der Obhut der Sorgeberechtigten entzogen haben, in
Gewahrsam nehmen, um sie den Sorgeberechtigten oder dem Jugendamt zuzuführen.
(3) Die Polizei
kann eine Person, die aus dem Vollzug von Untersuchungshaft, Freiheitsstrafen
oder freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung entwichen ist
oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Justizvollzugsanstalt aufhält, in
Gewahrsam nehmen und in die Anstalt zurückbringen.
Richterliche
Entscheidung
(1) 1 Wird eine Person auf Grund von § 20 Abs.
3, § 21 Abs. 3 Satz 3 oder § 30 festgehalten, hat die Polizei unverzüglich eine
richterliche Entscheidung über Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung
herbeizuführen. 2 Der Herbeiführung der
richterlichen Entscheidung bedarf es nicht, wenn anzunehmen ist, dass die
Entscheidung des Richters erst nach Wegfall des Grundes der polizeilichen
Maßnahmen ergehen würde.
(2) Ist die
Freiheitsentziehung vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung beendet, kann
die festgehaltene Person innerhalb eines Monats nach Beendigung der Freiheitsentziehung
die Feststellung beantragen, dass die Freiheitsentziehung rechtswidrig gewesen
ist, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse besteht.
(3) 1 Für
Entscheidungen nach den Absätzen 1 und 2 ist das Amtsgericht Tiergarten
zuständig. 2 Das Verfahren richtet sich
nach den Vorschriften des
Buches 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen
und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. 3 In Fällen des Absatzes 2 ist
die Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts über eine
Beschwerde nur statthaft, wenn das Landgericht sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung
der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt. 4 Für die Gerichtskosten gelten
die Vorschriften über die Kostenerhebung in Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit entsprechend. 5 Gebühren werden nur für die Entscheidung,
die die Freiheitsentziehung für zulässig erklärt, sowie das Beschwerdeverfahren
erhoben.
Behandlung
festgehaltener Personen
(1) 1 Wird eine Person auf Grund von § 20 Abs.
3, § 21 Abs. 3 Satz 3 oder § 30
festgehalten, ist ihr unverzüglich der Grund bekanntzugeben. 2 Sie
ist über die zulässigen Rechtsbehelfe zu belehren. 3 Zu
der Belehrung gehört der Hinweis, dass eine etwaige Aussage freiwillig erfolgt.
(2) 1 Der festgehaltenen Person ist unverzüglich
Gelegenheit zu geben, einen Angehörigen oder eine Person ihres Vertrauens zu benachrichtigen,
soweit dadurch der Zweck der Freiheitsentziehung nicht gefährdet wird. 2 Unberührt bleibt die Benachrichtigungspflicht
bei einer richterlichen Freiheitsentziehung. 3 Die
Polizei soll die Benachrichtigung übernehmen, wenn die festgehaltene Person
nicht in der Lage ist, von dem Recht nach Satz 1 Gebrauch zu machen, und die
Benachrichtigung ihrem mutmaßlichen Willen nicht widerspricht. 4 Ist die festgehaltene Person minderjährig
oder ist ein Betreuer für sie bestellt, so ist in jedem Falle unverzüglich
derjenige zu benachrichtigen, dem die Sorge für die Person oder die Betreuung
der Person nach dem ihm übertragenen Aufgabengebiet obliegt.
(3) 1 Die festgehaltene Person soll gesondert,
insbesondere ohne ihre Einwilligung nicht in demselben Raum mit Straf- oder
Untersuchungsgefangenen untergebracht werden. 2 Männer
und Frauen sollen getrennt untergebracht werden. 3 Der
festgehaltenen Person dürfen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die
der Zweck der Freiheitsentziehung oder die Ordnung im Gewahrsam erfordert.
§ 33 ASOG Dauer der Freiheitsentziehung
1.
sobald der
Grund für die Maßnahme weggefallen ist,
2.
wenn die
Fortdauer der Freiheitsentziehung durch richterliche Entscheidung für unzulässig
erklärt wird,
3. in jedem Falle spätestens bis zum
Ende des Tages nach dem Ergreifen, wenn nicht vorher die Fortdauer der
Freiheitsentziehung auf Grund des § 30 Absatz 1 Nummer 2 oder auf Grund eines
anderen Gesetzes durch richterliche Entscheidung angeordnet ist; über das Ende
des Tages nach dem Ergreifen hinaus kann die Fortdauer der Freiheitsentziehung
auf Grund von § 30 Absatz 1 Nummer 2 durch richterliche Entscheidung nur angeordnet
werden, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der oder die Betroffene
Straftaten gegen Leib oder Leben oder Straftaten nach den §§ 125, 125a, 306 bis
306c, 306f und 308 des Strafgesetzbuches oder nach § 27 des Versammlungsgesetzes
begehen oder sich hieran beteiligen wird; in der Entscheidung ist die höchstzulässige
Dauer der Freiheitsentziehung zu bestimmen; die Dauer der Freiheitsentziehung
auf Grund von § 30 Absatz 1 Nummer 2 darf in diesen Fällen vier Tage nicht überschreiten.
(2) Eine
Freiheitsentziehung zum Zwecke der Feststellung der Identität darf die Dauer
von insgesamt zwölf Stunden nicht überschreiten.
Begründung zur Neuregelung des § 33 ASOG:
Seiten 16, 17 der Drucksache 17/1795 des
Abgeordnetenhauses von Berlin (Vorlage der Senatsverwaltung für Inneres):
„Die Neuregelung ist
unerlässlich, um die bevorstehende Begehung von Straftaten, insbesondere im
Umfeld von länger andauernden Großlagen (wie beim 1. Mai oder Staatsbesuchen),
Versammlungen, (sportlichen) Großveranstaltungen (wie der Kirchentag oder bei
Fußballspielen) oder äußerst gewaltbereiten Gruppierungen (z.B. im
Rockermilieu) zu verhindern. Hierbei kann es zu Einzellagen kommen, die es
gebieten, potenzielle Störer schon unmittelbar vor dem Ereignis aus dem Gefahrenbereich
herauszunehmen, weil ein späteres Zuwarten auf den konkreten Schadenseintritt
weder möglich noch – gemessen an der zu erwartenden Schadensschwere –
vertretbar ist. Die bisherige maximale Festhaltedauer von 48 Stunden reicht
insbesondere bei länger andauernden Ereignissen oftmals nicht aus, um eine
Person von der Begehung von Straftaten abzuhalten.
Die Verlängerung der
Höchstdauer auf vier Tage entspricht insbesondere auch der Rechtslage in
Brandenburg.
Die Regelung bestimmt
hierbei die Gesamtzahl der Tage, die betroffene Personen im Gewahrsam verbringen.
Anders als bei der Zählung in Stunden, ist allein das Tagesende für die Zählung
entscheidend. Insofern gilt bereits der Tag der Ingewahrsamnahme unabhängig von
der Uhrzeit als der erste Tag des Gewahrsams.
Die Anordnung eines
verlängerten Unterbindungsgewahrsams steht gemäß Art. 104 Absatz 2 Satz 3 GG
unter Richtervorbehalt. Aufgrund der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts bestehen für Anordnungen einer
präventiv-polizeilichen Freiheitsentziehung schon jetzt außerordentlich hohe
Anforderungen sowohl in Bezug auf die Prognosedichte im Anordnungsfall als auch
auf die organisatorischen Voraussetzungen, insbesondere bei der Rechtzeitigkeit
der Richtervorführung. Durch die engen Voraussetzungen für eine Verlängerung
der maximalen Festhaltedauer wird daher auch zukünftig im konkreten Einzelfall
nicht unverhältnismäßig in das Freiheitsgrundrecht der betroffenen Person
eingegriffen. Um den Ausnahmecharakter hervorzuheben, wurde die Verlängerung
der Höchstdauer auf die Verhinderung bestimmter Straftatbestände beschränkt.
Diese entsprechen sich sowohl im Hinblick auf die besondere Schutzwürdigkeit
ihrer Rechtsgüter als auch in Bezug auf das vorgesehene Strafmaß. Weiterhin
stimmt die Einschränkung der verlängerten Höchstdauer auf die Verhinderung bestimmter
Straftatbestände weitestgehend mit der gesetzlichen Regelung im Land
Brandenburg (§ 20 Absatz 1 Nummer 3 BbgPolG) überein.“
Neuer Stand vom 18.04.2015:
Neuer Stand vom 18.04.2015:
Das 16. Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes vom 07.04.2015 wird am 20.04.2015 im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin Nr. 5 auf den Seiten 66 und 67 veröffentlicht und damit verkündet werden. Es tritt somit am 21.04.2015 in Kraft.
2 Kommentare:
Irgendwie hat diese Nummer für mich ein ganz abscheuliches Geschmäckle, auch wenn die Begründung in blumiger Leichtigkeit abgeht. In der Schule war mal die "Verordnung zum Schutz von Volk und Staat" Gegenstand des Unterrichts...
Ein Vergleich der Änderungen des Landespolizeigesetzes mit der Reichstagsbrandverordnung ist abwegig.
Kommentar veröffentlichen