Samstag, 22. Oktober 2005

Drogenbunker Jugendstrafanstalt Berlin und Akteneinsicht statt Durchsuchung bei der Senatsverwaltung für Justiz

Bei der Vollzugsabteilung der Senatsverwaltung für Justiz in Berlin läuft es nicht so, wie es laufen sollte. vgl. hier.

Auch diese kleine Anfrage und die mündliche Anfrage der Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus werden keine Freude gestiftet haben:

Drogenmissbrauch und Strafvereitelung in der Justiz? Der Bock als Gärtner!
Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich ihre nicht erledigte Mündliche Anfrage gemäß § 51 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses wie folgt:
1. Treffen Presseinformationen zu, dass der Leiter der Jugendjustizvollzugsanstalt Drogen gehortet und Drogenmissbrauchsvorgänge nicht angezeigt hat?
Zu 1.: Zunächst bitte ich um Verständnis dafür, dass ich mich zu Einzelheiten eines laufenden Ermittlungsverfahrens nicht äußern werde. Es ist allerdings richtig – wie auch schon die Staatsanwaltschaft mitgeteilt hat -, dass gegen Bedienstete der Jugendstrafanstalt Berlin ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz geführt wird, weil Betäubungsmittel, die keinem Gefangenen zugeordnet werden konnten, in einem Panzerschrank aufbewahrt wurden, ohne sie umgehend an die Polizei weiterzuleiten. Den Beschuldigten wird nicht vorgeworfen, Vorgänge über Drogenmissbrauch nicht angezeigt zu haben.
2. Seit wann weiß der Senat von diesen Vorgängen und warum wurden diese Vorgänge vertuscht ?
Zu 2.: Der Senatsverwaltung für Justiz wurde der Sachverhalt erstmals durch einen Bericht der Staatsanwaltschaft Berlin vom 28. Januar 2005 – eingegangen am 08. Februar 2005 - bekannt. Aufgrund dieses Berichts und der Folgemitteilungen der Staatsanwaltschaft habe ich keinen Zweifel daran, dass der Sachverhalt unvoreingenommen und lückenlos aufgeklärt werden wird. Von einer Vertuschung durch die beteiligten Stellen kann keine Rede sein.

Berlin, den 07. Oktober 2005
Karin Schubert
Senatorin für Justiz
(Drucksache 15 / 20 606 des Berliner Abgeordnetenhauses
Nicht behandelte Mündliche Anfrage)


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Durchsuchung der Senatsverwaltung für Justiz (oder: da stellen wir uns mal ganz dumm):
Antwort der Senatsverwaltung für Justiz:
Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt:

1. Zu welchem Zeitpunkt (einschl. Uhrzeit) hat die Durchsuchung der Strafvollzugsabteilung der Senatsverwaltung für Justiz durch die Staatsanwaltschaft stattgefunden?
Zu 1.: Unabhängig davon, dass die Kleine Anfrage den fraglichen Sachverhalt nicht benennt, gehe ich davon aus, dass sich die gestellte Frage auf das wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz geführte Ermittlungsverfahren gegen Bedienstete der Jugendstrafanstalt Berlin bezieht. Diesbezüglich weise ich darauf hin, dass es zu keinem Zeitpunkt zu einer Durchsuchung in der Senatsverwaltung für Justiz kam. Vielmehr erhielt die zuständige Staatsanwaltschaft Berlin am 12. Juli 2005 Gelegenheit zur Akteneinsicht in die diesbezüglichen Verwaltungsvorgänge.
2. Sind der oder die Verdächtigen im Hause der Senatsverwaltung für Justiz tätig?
Zu 2.: Es gibt in dieser Angelegenheit keine Ermittlungsverfahren gegen im Hause der Senatsverwaltung für Justiz tätige Bedienstete.
3. Welche Straftat(en) gab/gaben Anlass für die Durchsuchung?
Zu 3.: vgl. zu 1.

Berlin, den 06. Oktober 2005
Karin Schubert
Senatorin für Justiz
(Drucksache 15 / 12 851 des Berliner Abgeordnetenhauses
Kleine Anfrage)


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Anmerkung: Der Besitz von Betäubungsmitteln ist strafbar. Besitz muss vorgelegen haben, wenn die Straftaten gegen das Betäubungsmittelgesetz und gegen die Abgabenordnung angezeigt wurden, die Betäubungsmittel aber nicht der Polizei übergeben wurden. Wurden entgegen den bekannt gewordenen Äußerungen keine Anzeigen erstattet, kommt (versuchte) Strafvereitelung (im Amt) in Betracht. Und dies in Zusammenhang mit Jugendstrafvollzug. Nichtanzeige mit der Begründung, die Staatsanwaltschaft würde auch nicht mehr herausfinden als die Bediensteten der Jugendstrafanstalt (nämlich angeblich nichts), greift nicht durch. Zu klären, was ermittelt werden kann und was nicht, ist allein Sache der Staatsanwaltschaft.

Ich kann mir nicht erklären, wie Frau Senatorin Schubert es anscheinend ohne Beanstandungen akzeptiert, dass Drogen, die von Mitarbeitern der Jugendstrafanstalt im Panzerschrank (das entlastet den Besitzvorwurf nicht) gehortet wurden, ohne dass Anzeige über den Fund an die Strafverfolgungsbehörden erstattet wurde, so dass Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zunächst von vornherein unterbunden wurden. Sie antwortete, wie oben wiedergegeben, gegenüber dem Abgeordnetenhaus offiziell wie folgt:
"Den Beschuldigten wird nicht vorgeworfen, Vorgänge über Drogenmissbrauch nicht angezeigt zu haben".
Hält es die Berliner Senatorin für Justiz etwa für legitim, dass Drogenfunde in der Jugenstrafanstalt Berlin nicht zur Anzeige gebracht werden, wenn der oder die Täter nicht gleich mit benannt werden können? Es geht auch nicht um Bagatellen:

BtMG 1981 § 29 Straftaten

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1. Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt,
sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst
in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2. eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3
Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3. Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen
Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4. (weggefallen)
5. entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6. entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a) verschreibt,
b) verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
7. entgegen § 13 Abs. 2 Betäubungsmittel in einer Apotheke oder
tierärztlichen Hausapotheke abgibt,
8. entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9. unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen
anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu
erlangen,
10. einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten
Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche
Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum
unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11. ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten
Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine
außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem
solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12. öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11
Abs. 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu
verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13. Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine
rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14. einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz
2 Nr. 1 oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand
auf diese Strafvorschrift verweist.

Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1. in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13
gewerbsmäßig handelt,
2. durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen
die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nr. 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.
BtMG 1981 § 29a Straftaten

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
1. als Person über 21 Jahre
Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie
ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch
überläßt oder
2. mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie
in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie
auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

StGB § 258 Strafvereitelung

(1) Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) unterworfen wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer absichtlich oder wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil vereitelt.

(3) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) Wegen Strafvereitelung wird nicht bestraft, wer durch die Tat zugleich ganz oder zum Teil vereiteln will, daß er selbst bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird oder daß eine gegen ihn verhängte Strafe oder Maßnahme vollstreckt wird.

(6) Wer die Tat zugunsten eines Angehörigen begeht, ist straffrei.

StGB § 258a Strafvereitelung im Amt

(1) Ist in den Fällen des § 258 Abs. 1 der Täter als Amtsträger zur Mitwirkung bei dem Strafverfahren oder dem Verfahren zur Anordnung der Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) oder ist er in den Fällen des § 258 Abs. 2 als Amtsträger zur Mitwirkung bei der Vollstreckung der Strafe oder Maßnahme berufen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) § 258 Abs. 3 und 6 ist nicht anzuwenden.

Aktualisierung vom 14.04.2006:

Man hat sich bei der Senatsverwaltung für Justiz besonnen und auf eine weitere Anfrage verdeutlicht, dass in Berliner Haftanstalten gefundene (mutmaßliche) Betäubungsmittel unverzüglich der Polizei anzuzeigen und von der Polizei aus der betroffenen Haftanstalt abzuholen sind. Vgl Lino hier.

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