Die Berliner Morgenpost lässt Dr. Werner Platz, einen in Berlin viel beschäftigten ärztlichen Sachverständigen, Facharzt für Psychitrie und Neurologie, zu Wort kommen: Die Frage der Ehre spielt bei Gewalttaten mit archaischem kulturellen Hintergrund immer wieder eine entscheidende Rolle. Sie ist die Triebfeder für ein Handeln, das aus moderner mitteleuropäischer Sicht unverständlich bleibt. Dr. Werner Platz, Direktor der Psychiatrie und Psychotherapie des Vivantes Humboldt-Klinikums, hat sich auch als Gerichtsgutachter mit dem Thema beschäftigen müssen. "Die Ehre, um die es hierbei geht, läßt sich nicht erwerben, wohl aber verlieren. Und sie muß verteidigt werden, notfalls um jeden Preis", sagt Platz. Der Verlust der Familienehre bedeute für die Betroffenen den sozialen Tod. Ein Verhalten, das der Ehre zuwiderlaufe, könne also nicht ungesühnt bleiben, um der Ächtung zu entgehen. Entscheidender Faktor ist laut Platz weniger das angebliche Fehlverhalten selbst, sondern eher dessen Bekanntwerden im weiteren Umfeld. Auch hohe Haftstrafen, wie sie bei Mord drohen, haben keinerlei abschreckende Wirkung. "Wenn man Tätern, die aus diesen Motiven gehandelt haben, lange Zeit später begegnet, so ist bei ihnen zwar eine gewisse Einkehr zu erkennen. Trotzdem sind sie weiterhin überzeugt, das Notwendige und Richtige getan zu haben. Das Festhalten an den Traditionen ist ungebrochen", sagt Platz. Der forensische Psychiater schildert einen Fall aus Kreuzberg, bei dem jemand zur Rettung der Familienehre bei einer Zusammenkunft eine Handgranate zündete und dabei den eigenen Tod in Kauf nahm. Der Umstieg auf westliche Werte setze die Bereitschaft voraus, diese Werte auch annehmen zu wollen. Platz: "Es schafft natürlich Ängste, wenn jemand, der diesen Weg beschritten hat, womöglich deshalb umgebracht wird".
LiNo hat hierund hier berichtet.
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